Wohnen im Gravo-Druck Wohnen im Gravo-Druck: Was der hessische Investor auf dem Gelände am Reileck plant

Halle (Saale) - Kaputte Dächer. Zerfetzte Fenster. Beschmierte Fassaden. Die Industrieruine der ehemaligen Gravo-Druck GmbH ist der größte Schandfleck am Reileck. Seit 30 Jahren ist das Gebäude-Ensemble verwaist, Vandalismus und Verfall ausgesetzt. Nun soll aus der Brache ein attraktives Wohn- und Geschäftsquartier werden.
Frankfurter Immobilienunternehmen investiert Millionen ins Reileck für Wohnungen
Die Norsk Deutschland AG mit Sitz in Frankfurt/Main will rund 45 Millionen Euro in den Komplex am Rande des Paulusviertels investieren. Bis 2022 sollen 11.300 Quadratmeter Wohnraum sowie Gewerbe- und Einzelhandelsflächen auf 2800 Quadratmetern entstehen. Auch einen Supermarkt soll es geben. „Für unser Engagement in der Stadt gibt es viele Gründe. Nach Berlin ist Halle gemeinsam mit Leipzig der zweitgrößte Wirtschaftsraum in Ostdeutschland“, sagt Norsk-Chef Thomas Schulze Wischeler.
Das Industriedenkmal war Anfang 2019 zwangsversteigert worden und hatte einen Erlös von 1,15 Millionen Euro erzielt. Den Zuschlag hatte seinerzeit ein Käufer aus Leipzig erhalten. Er hat die Immobilie mittlerweile weiterveräußert.
Der neue Investor will die Bestandsgebäude sanieren sowie auf dem 6500 Quadratmeter großen Grundstück auch „Neubauten von hoher architektonischer Qualität“ schaffen. Dazu befinde man sich mit den städtischen Behörden in einem engen Austausch zum Konzept. Die Hessen wollen zudem eine Tiefgarage bauen.
Norsk einer der neuen großen Akteure auf dem privaten halleschen Immobilienmarkt
Für die Umsetzung ihrer Pläne benötigt Norsk auch jene Flächen der Wemax GmbH, die auf dem Areal Parkplätze bewirtschaftet. Im August dieses Jahres hatte Wemax-Geschäftsführer Torsten Märker bereits Verhandlungsbereitschaft signalisiert. „Der neue Besitzer möchte unsere Grundstücke kaufen, damit er für das gesamte Areal planen kann“, hatte er gegenüber der MZ geäußert. Dem stünde nichts im Wege.
Norsk ist einer der neuen großen Akteure auf dem privaten halleschen Immobilienmarkt. Anfang Oktober hatte das erst im April 2018 gegründete Unternehmen bereits verkündet, zwischen Thüringer Straße und Tuchrähmen ein Wohn- und Geschäftsquartier entwickeln zu wollen. Ähnliche Pläne verfolgt die Firma am alten Thüringer Bahnhof.
Das bittere Schicksal von Gravo-Druck beschäftigt die Hallenser seit Jahrzehnten. Die Industriegeschichte des Geländes am Reileck beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts. Erster Nutzer war die Lithographische Kunstanstalt von Carl Warnecke. Aus der kleinen Druckerei wurde ein großes Unternehmen, das fortan „Cawar“ hieß. Verpackungen, Plakate, Postkarten und Werbeschriften wurden hier gedruckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb verstaatlicht und zum VEB Gravo Druck. 1990 wurde der volkseigene Betrieb mit seinen 200 Mitarbeitern in eine GmbH umgewandelt, wies damals aber schon Schulden in Höhe von zwei Millionen D-Mark auf. 1992 ging die Firma in die Insolvenz. Danach machte Gravo-Druck nur noch negative Schlagzeilen. 2010 musste aufgrund von Einsturzgefahr das Verwaltungsgebäude abgerissen werden. Im Februar 2018 brannte es auf dem Gelände, vier Monate später stürzte ein Teil der ehemaligen Druckerei ein. Die Stadt Halle und die Firma Wemax setzten die Zwangsversteigerung in Gang.
Stadt will Gravo-Druck als Schandfleck der Stadt beseitigen
Die drei Großprojekte haben ein Gesamtvolumen von etwa 150 Millionen Euro. Laut Schulze Wischeler spreche für Halle die positive Wirtschaftsentwicklung, das hervorragende kulturelle Angebot sowie die Bedeutung der Stadt als Wissenschaftsstandort. Die Stadt selbst hat vor allem ein Interesse an der Beseitigung des Schandflecks.
„Eine Schließung des Blockrandes ist eine Mindestanforderung für die Entwicklung der Fläche“, hatte der zuständige Beigeordnete René Rebenstorf betont. Im Einzelhandels- und Zentrenkonzept ist die Fläche zudem als Potenzial zur Stärkung des Nahversorgungszentrums Reileck ausgewiesen. (mz)
