WM-Laune in Halle WM-Laune in Halle: Für wen fiebert deutsch-russisches Gastronomen-Paar mit?

Halle (Saale) - Eigentlich, sagt Sven Michalski, habe er nie einen Fernseher in seinem Restaurant haben wollen. „Unsere Gäste kommen nicht wegen eines Fernsehers, sondern wegen des Essens“, ist sich der Betreiber der russischen Gaststube „Zum Samowar“ in der Scharrenstraße sicher. Doch nun kam der 44-Jährige nicht mehr umhin.
Wenn am Donnerstag um 17 Uhr die russische Fußballmannschaft in der Partie gegen Saudi-Arabien die Fußballweltmeisterschaft eröffnet, ist das für den Hallenser und seine Frau ein ganz besonderer Tag. Vor genau zehn Jahren, am 14. Juni 2008 eröffneten er und seine russische Frau, die aus St. Petersburg stammt, ihr Restaurant.
Vorfreude auf WM in Russland: „Zum Samowar“ hat sich extra einen Fernseher zugelegt
Zehn Jahre „Zum Samowar“, die russische Mannschaft spielt und dann auch noch in Russland. „Da habe ich zu ihm gesagt, wir müssen die Spiele zeigen“, erzählt die 41-Jährige. Und ihr Mann zog los und kaufte den Fernseher.
„Die Vorfreude bei uns ist riesengroß, auch wenn ich denke, dass die russische Mannschaft früh ausscheidet“, sagt Oksana Michalski, die sehr gut Deutsch spricht, ihren Akzent aber nicht verloren hat. Es sei schön, dass sich Russland, das ja immer noch ein ziemlich fremdes Land für viele Deutsche sei, zeigen könne, meint ihr Mann.
WM in Russland: Die beiden sind regelmäßig in Russland
Ihm ist der riesige Staat inzwischen ganz und gar nicht mehr fremd. Regelmäßig fahren er und seine Frau nach Russland - kürzlich sogar mit dem Auto. Über zwei Tage hat das gedauert. In St. Petersburg könne man sehen, wie sich das Land wandelt: Seit einigen Jahren kontrolliert die Polizei, ob im Auto die Sicherheitsgurte angelegt seien und ziehe Verkehrsrowdys heraus. In St. Petersburg seien viele neue Straßen gebaut worden - in Vorbereitung auf die WM, aber nicht nur deshalb, sagt Sven Michalski.
Sven Michalski musste Schul-Russisch wieder auskramen
Dass die beiden verheiratet sind und nun in Halle ihre Gäste bekochen, ist zweifelsfrei der DDR zu verdanken. Michalski studierte Kulturpädagogik an der Fachhochschule Merseburg, als er 2002 als Tutor für eine ganze Gruppe russischer Austauschstudenten (und -innen!) verantwortlich war.
Oksana sprach kein Wort Deutsch, aber etwas Englisch. Svens Trumpf: „Ich konnte mein Schul-Russisch wieder rauskramen. Es war alles da, nur eben verstaubt“, erinnert er sich. Dass er, wie einige Schüler in der DDR, auch einen russischen Brieffreund hatte, nützte ihm nun. Weder die Sprache noch das Land waren ihm wirklich fremd.
Für die Liebe hat Oksana in Russland alles aufgegeben
2005 zog Oksana mit ihrem Sohn nach Deutschland. „Ich musste alles hinter mir lassen. Nichts war sicher. Sven war Student.“ Und Oksana Museumswissenschaftlerin. Schlechte Voraussetzungen, um einen Job zu finden. Als ihr heutiger Mann ihr vorschlug, ein Restaurant mit russischen Speisen zu eröffnen, winkte sie erst ab. „Sie hat gesagt: ,Was sollen wir denn kochen? Das kann man sich doch alles zu Hause machen’!“
Aber echten russischen Borschtsch, Fischsuppe mit Stör, Blinys oder goldgelb gebratene Teigtaschen aus der Küche der Krim-Tataren macht sich wohl kaum ein Hallenser in der eigenen Küche.
Zu Hause wird deutsch und russisch gesprochen
Apropos Krim: Politik und das Bild Russlands in den Medien ist bei den Michalskis zwar zu Hause Thema, habe im Restaurant aber nichts verloren, sagt er. „Es geht hier um das Schöne, um Kultur, nicht um Politik. Das ist Zündstoff.“
Die beiden würden sich freuen, wenn Russland für die Deutschen nach der WM etwas weniger fremd ist. Bei ihrem gemeinsamen Sohn, dem fünfjährigen Evan, ist das schon heute so. Seine Mutter spricht mit ihm Russisch, sein Vater Deutsch. „Ich will nicht, dass er das verliert“, sagt Oksana Michalski. Er wächst also zweisprachig auf und nimmt auch von beiden Kulturen etwas mit.
Und wenn Deutschland in den kommenden Wochen gegen Russland spielen sollte? Immerhin werden die Spiele mit Beteiligung einer der beiden Teams ja nun auf dem neuen Fernseher im Samowar übertragen. „Mal sehen. Ich glaube, sie hat sich damit abgefunden, dass Russland rausfliegt“, sagt Sven Michalski. Bei aller deutsch-russischen Liebe; das kann er sich dann doch nicht verkneifen. (mz)
