"Wir sind radikaler" "Wir sind radikaler": Mit zivilem Ungehorsam gegen den Klimawandel protestiert?

Halle (Saale) - Nur etwa fünf Minuten hing das Transparent an den Hausmannstürmen am Markt. Doch mit den Worten „Klima-Notstand“ und „Rebellion Jetzt“, die auf dem Banner standen, erregte die Aktion Ende Juni trotzdem Aufmerksamkeit. Zeitgleich legten sich etwa 100 Menschen regungslos auf den Marktplatz.
Denn hinter der Aktion steckte die Bewegung „Extinction Rebellion“, die mit solchen Projekten im öffentlichen Raum auf das Artensterben aufmerksam machen will. Tanja Goldbecher hat mit den beiden Aktivisten Bernd Müller (55) und Almuth Gericke (26) über zukünftige Aktionen gesprochen.
In Halle setzt sich bereits die „Fridays For Future“-Bewegung für die Rettung des Weltklimas ein. Was ist der Unterschied zu „Extinction Rebellion“?
Almuth Gericke: Wir sind radikaler. XR, so wird die Bewegung abgekürzt, arbeitet mit zivilem Ungehorsam. Das macht „Fridays For Future“ nicht. XR hat als eine der ersten Aktionen zum Beispiel in London mit tausenden Menschen zentrale Plätze für mehrere Tage blockiert. Das hat sehr viel Aufmerksamkeit generiert. Die Bürger mussten sich damit auseinandersetzen, wofür dort so vehement protestiert wird.
Wollen Sie auch in Halle den Verkehr an Kreuzungen und auf Brücken lahmlegen?
Bernd Müller: Wir planen bereits weitere Aktionen. Was wir konkret wann machen, verraten wir vorher nicht. Nur eine Veranstaltung kursiert schon im Internet. Wir wollen am 19. August auf einer Kreuzung ein kleines Straßenfest in der Innenstadt feiern.
Von solchen Aktionen werden viele Bürger genervt sein. Außerdem bringen Sie sich selbst in Gefahr, verhaftet zu werden. Was wollen Sie damit erreichen?
Bernd Müller: Symbolische Klimaproteste, Demonstrationen und Petitionen gibt es seit 30 Jahren. Bis heute hat sich aber fast nichts verändert. Wir müssen mit dem Protest weiter gehen, genau wie Arbeitnehmer, die streiken. Dafür nehmen wir auch in Kauf, im Gefängnis zu landen. In England haben mittlerweile mehrere Städte den Klimanotstand ausgerufen und damit öffentlich eingestanden, dass dringend etwas verändert werden muss. Das fordern wir auch von der halleschen Stadtverwaltung. Außerdem wollen wir XR in Halle bekannter machen. Am 7. Oktober ist zum Beispiel geplant, Berlin komplett auszubremsen. Wir wollen, dass dort möglichst viele Menschen hinfahren. Unsere weltweite Bewegung hat drei Forderungen: Die Regierungen legen die Wahrheit über die tödliche Bedrohung durch die ökologische Krise offen. Die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen werden über alle Sektoren hinweg bis 2025 auf Netto-Null reduziert. Die Regierungen rufen Bürgersammlungen ein, die ausarbeiten, wie diese beiden Ziele verwirklicht werden.
Wie organisieren Sie sich innerhalb der Stadt?
Almuth Gericke: Es gibt regelmäßige Treffen, an denen grundsätzlich jeder teilnehmen kann. Über interne Gruppen werden dann alle Mitglieder und Interessierten über Aktionen informiert. Wir waren selbst überrascht, wie viele Menschen wir für die Aktion am Markt mobilisieren konnten. An den Aktionen des zivilen Ungehorsams von XR können sich wirklich alle Menschen beteiligen, denen der Erhalt der Schöpfung am Herzen liegt und nicht nur Demoprofis mit schwarzen Kapuzenpullis.
Sind Sie auch mit anderen Gruppen in Halle vernetzt ?
Almuth Gericke: Leute von uns sind zum Beispiel auch bei „Fridays For Future“ aktiv und waren an der Baumrettung an der Gütchenstraße beteiligt. Uns ist wichtig, dass der Protest immer gewaltlos und fröhlich bleibt. Wir wollen mit kreativen Aktionen für eine Sache kämpfen, die uns alle betrifft. Wenn wir nicht handeln, sterben nicht nur Tier- und Pflanzenarten aus, sondern irgendwann auch die Menschen.
Informationen über die Bewegung „Extinction Rebellion“ können auf der Internetseite xrhalle.wordpress.com abgerufen werden. (mz)