Stadtteil Altstadt Wie Halle (Saale) durch die Stadtmauer vom Dorf zur Großstadt wurde

Halle (Saale) - Diva in Grau nannte Helga Paris einst die Stadt Halle. Die Fotografin kam ab Mitte 1980 regelmäßig als Besucherin aus Berlin in die Saalestadt und erlebte Halle durch das Objektiv ihrer Kamera, dokumentierte vor allem den Verfall. Seitdem hat sich viel verändert in Halles Altstadt, die noch immer eine Diva mit kleinen Schönheitsfehlern, nun aber keineswegs mehr grau ist.
Und doch weiß so mancher Hallenser seine Stadt noch immer nicht wirklich zu schätzen, was vor allem Touristen und Gäste der Stadt auffällt - und verwundert.
Stadtmauer machte Halle (Saale) plötzlich um ein Fünffaches größer
Denn das über 1200-jährige Halle hat auch oder gerade wegen seines Alters so viel zu bieten - entlang der Saale ebenso wie mitten im historischen Kern der Stadt, die Anfang des 12. Jahrhunderts ihre große und bereits die zweite Erweiterung erfahren hat.
Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle vor: hier die Altstadt.
Der bedeutende Burggraf Wiprecht von Groitzsch, der am heutigen Sandberg wohnte und 1124 dahinschied, setzte ab 1118 den Plan der Erweiterung der Stadt um. Bis dahin umfasste die etwa das Gebiet um Markt, Märkerstraße und Alten Markt. Mit Unterstützung der halleschen Bürgerschaft entstand zum Schutze der Stadt ein Mauerring, der die Fläche Halles um das Fünffache vergrößerte - mit dem Markt als Mittelpunkt.
Schon 1128 berichteten die Chroniken vom lebhaften Handel und beträchtlichen Waren-Umschlag auf dem Markt, ebenso von den Siedehütten der Saline, den Salzkoten auf dem Hallmarkt. Ende des 12. Jahrhunderts bildeten sich die Innungen - der Krämer, Bäcker, Fleischer, Schmiede, Schuster. Und vier Pfarrbezirke - St. Gertrauden, St. Marien, St. Moritz und St. Ulrich - waren als innerstädtische Bezirke die Keimzellen der späteren Stadtviertel.
Stadtmauer von Halle (Saale) war in ihrer Größe lange einmalig in Europa
Rund 40 Wehrtürme und ein an manchen Stellen sogar dreifacher Ring sorgten zu dieser Zeit für die Sicherheit der Bewohner der Stadt, die, so Christian Feigl, „in ihren Ausmaßen lange einmalig in Europa war“. Das Ausmaß der Stadtmauer lässt sich hervorragend bei einem Besuch im Stadtmuseum in der Großen Märkerstraße nachvollziehen: Ein großes Stadtmodell in der Dauerausstellung zeigt ein Bild des alten Halle und lädt ein, auf Entdeckungstour zu gehen und zu schauen, was davon heute noch im Stadtbild zu sehen ist.
Doch zurück zur Geschichte: Bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts habe, so Feigl, die Siedlungsfläche innerhalb der Stadtmauern ausgereicht. Erst danach dehnte sich die Stadt durch Industrialisierung in der Gründerzeit weiter über die alten Stadtgrenzen aus, wurde begonnen, umliegende Dörfer einzugemeinden, so Feigl, eines der Gründungsmitglieder des Arbeitskreises Innenstadt (kurz Aki), der seine ersten Aktivitäten damals noch auf dem völlig heruntergekommenen Stadtgottesacker begonnen hat.
Kampf gegen den Verfall von Gebäuden in Halle (Saale) - oft gegen den Widerstand des DDR-Systems
1983 schon hatten sich engagierte Bürgerinnen und Bürger der Stadt zusammengeschlossen, um sich der Rettung vor Abriss oder Verfall, dem Erhalt oder wenigstens der Sicherung historischer Gebäude der Stadt zu widmen - oft gegen den Widerstand des DDR-Systems. „Damals ging es darum, Tatsachen zu schaffen und aktiv an und in den von Verfall oder Abriss bedrohten Häusern zu arbeiten, heute ist es wichtig, gute Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und das Bewusstsein zu schärfen, was wir für Schätze in der Stadt haben“, sagt Feigl, der zugunsten seiner Arbeit im Stadtrat seine Aktivitäten im Arbeitskreis eingeschränkt hat und lieber Jüngeren Platz machen will. „Wir verstehen uns als Anwalt für die alte Stadt“, fasst der Hallenser die Intention der rund 70 Aki-Mitglieder zusammen.
Wo man Halles alte Stadtmauer heute noch sehen kann
Doch zurück zur Stadtmauer. Noch heute erinnern Reste an den Verlauf des Wehrsystems der Stadt. Begibt man sich auf einen Rundgang durch die Stadt, sind einige noch gut erkennbar: der Leipziger Turm und Mauerteile am Waisenhausring, an der Moritzkirche, an Moritzburg und Mühlpforte. Wie groß die Altstadt gewesen sein muss, wird bei einem Spaziergang entlang der Ringstraßen deutlich - vom Hanse- über den Waisenhausring über Moritzzwinger, Hallorenring, Robert-Franz-Ring und Moritzburgring bis hinauf zum Universitätsring, der den Kreis der alten Stadtmauer wieder schließt. Und mittendrin Marktkirche und Stadthaus, Roter Turm und Marktschlösschen und dazu jene Schätze, von denen Christian Feigl spricht.
Viele sind für Laien auf den ersten Blick gar nicht sofort als historisch wertvoll erkennbar - wie der durch behutsame Sanierung wieder zum Vorschein gekommene Wohnturm in der Rannischen/Ecke Sternstraße. „Die Stadt war früher voll von Wohntürmen, die maximal drei Stockwerke hoch gewesen sind und die wir zum Beispiel aus Italien kennen“, sagt Feigl. Etwa 15 gebe es noch in der Altstadt, die aber später überbaut und damit kaum noch erkennbar seien - so etwa im Händelhaus, im Ackerbürgerhof oder im Gebäude Alter Markt 27 - dem Golden Pflug. Vielleicht schaut der Spaziergänger mit diesem Wissen etwas genauer hin - und erlebt Stadtgeschichte hautnah. (mz)
