Wettin Wettin: Kloake wurde Anglerparadies
WETTIN/MZ. - Kein Wunder - schließlich hat die einen Wassergehalt von 97 Prozent, soviel steckt nicht einmal in Melonen. Und sie hat Glück: Im Garten von Oma Gudrun und Opa Klaus Conrad gedeiht das Gemüse prächtig.
Die beiden sind eine der 37 Parteien des Vereins der Gartenfreunde und Wochenendsiedler "Saaletal" Wettin. Jeder kann dort anbauen, was er will und auch das Verhältnis der Nutz- zur Gesamtfläche bestimmt der Gärtner. Die Gärten am sanft fallenden Hang liegen idyllisch, im Tal fließt die Saale.
Als die Conrads 1988 den Garten bekamen und mit ihrer damals zehnjährigen Tochter Martina herausfuhren, lag der Ort zwar malerisch, doch der Fluss war ein Fremdkörper. Die Kinder durften darin nicht schwimmen, "aber es wollte auch keiner rein", sagt Gartenvereinsvorsitzende Gudrun Conrad. "Es riecht nach Saale", hieß es bei ihnen, wenn der Wind den Geruch der in den Fluss geleiteten Chemie-Abwasser bis an den Hang herüberwehte. Ihrer Tochter erzählten die Conrads, da wäre Waschpulver in der Saale - das war glaubhaft, denn auf dem Wasser schwammen Blasen. Bis zum Grund zu schauen, war unmöglich.
Welch ein Unterschied zu heute: Vor einigen Jahren paddelte die mittlerweile erwachsene Martina mit ihrem Mann von der Franzigmark nach Wettin. Ihr Schlauchboot musste ins tiefe Wasser gezogen werden, da stand sie das erste Mal bis zu den Knien in der Saale. "Im Fluss zu stehen, war schon ein komisches Gefühl", erinnert sie sich. Aber das Wasser sei so klar gewesen, dass sie beim Ufer den Grund sehen konnte. Während des Ausflugs sprangen die beiden immer wieder ins Wasser.
Heute essen sie sogar, was der Fluss hergibt, denn Martinas Mann Sven, der bei der Hochzeit den Familiennamen seiner Frau annahm, ist leidenschaftlicher Angler. Dass er in der Saale fischen kann, war dann auch ausschlaggebend dafür, ein eigenes Gartengrundstück im Verein "Saaletal" zu kaufen.
Vor einem Jahr hörte ein Vereinsmitglied auf, Familie Conrad Junior übernahm dessen Parzelle. Jedes Wochenende geht Gatte Sven angeln, Martina guckt nach Paulina, die im eigenen Sandkasten spielt, und bestellt den Garten. Obwohl sie das nicht wollte - "aber man kann ja nicht ohne", sagt die 32-Jährige augenzwinkernd und zeigt auf Tomaten und Zucchini.
So viel die Saale den Gärtnern auch gibt, Sorgen beschert sie ihnen ebenfalls. Hochwasser ist in der Anlage jedes Jahr ein Problem. Normalerweise genügt dem Fluss das Feldstück zwischen Ufer und Gartenhang. Manchmal aber nicht: 1994 und 2003 stieg der Pegel so hoch, dass die Goldfische aus dem Teich von Gudrun Conrad im ganzen Garten herumschwammen, bis ans Fundament des Häuschens stand das Wasser. Doch jetzt im Sommer sind die Strapazen fast vergessen. Da beginnt jeden Freitag um 15.30 Uhr das Wochenende - für die erwachsenen Conrads mit Kaffee und Kuchen, für Paulina mit einem frischen Stück Gurke.