1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Weinberg-Paradies liegt in «Egypten»

Weinberg-Paradies liegt in «Egypten»

Von Heidi Pohle 19.06.2008, 17:11

Halle/MZ. - Manche Leute haben einen Weinberg, andere wieder einen Garten. Es gibt aber auch Zeitgenossen, die haben einen Weinberg-Garten, der in Egypten liegt. Klingt verrückt? Nur im ersten Moment. Denn das, was Karl und Gunhild Karch aus Halle ihr Eigen nennen, lässt sich wirklich keiner gärtnerischen Kategorie zuordnen: Zwischen rund 1 600 Weinstöcken wachsen Blumen, Sträucher und Bäume. Besonders markant: die übermannshohen, meist gelb blühenden Steppenkerzen.

Um in dieses kleine Paradies zu gelangen, darf man die Abzweigung nach "Egypten" nicht verpassen. Warum um alles in der Welt dieses Flurstück, wovon Karchs rund 7 500 Quadratmeter besitzen, nach dem fernen Land benannt wurde und auch noch auf Englisch mit "E" geschrieben wird, kann man nur vermuten. Vielleicht, weil es so weit entfernt von Höhnstedt (Saalekreis) liegt. Vielleicht auch, weil im Mittelalter fahrendes Volk, die "Söhne Egyptens", sich in den geschützten Tälern, in denen schon seit ewigen Zeiten Wein angebaut wird, aufhielten, wie Karl Karch erzählt. Genaueres wisse man nicht.

Den Hobby-Winzern, beide promovierte Landwirte im Ruhestand, ist das egal, sie lieben ihr "Egypten" und beginnen den Tag in freier Natur immer mit einem Glas Wein - mal ist es Silvaner, mal ein Riesling, Weiß- oder Grauburgunder, insgesamt bauen sie neun Keltersorten an. Einige Stöcke sind schon 60 Jahre alt. Dabei genießen Karl und Gunhild Karch immer wieder aufs Neue die herrliche Aussicht über Felder und Wiesen bis hinüber nach Querfurt.

Überall, wo Platz ist, stehen Rosen, unzählige und alle selbst gezogen, außerdem Fünffingerkraut, Akelei, Margeriten, auch Feigenbäume sowie allerlei Obstgehölze. Auf einer Extrafläche wachsen Kartoffeln und anderes Gemüse. Auf die steilen Hänge mit den schmalen Wegen sind Karchs vor rund 40 Jahren gestoßen. "Wir haben die Wildnis urbar gemacht", so Karl Karch, der trotz seiner 83 Jahre noch all die schwere Arbeit bewältigt.

Zwischen den Stöcken lässt er das Unkraut wachsen, nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil dadurch die dünne Erdschicht festgehalten werde, die auf felsigem Grund liege, wie er erklärt. Trotzdem müsse ab und an gehackt werden, das Auf und Ab im Weinberg sei schon eine rechte Tortour. Und Pfähle für den Wein müssten teilweise sogar aufgemauert werden, um Halt zu haben. Auch das sei eine sehr kräftezehrende Arbeit.

Doch missen möchten er und seine Frau ihr Domizil nicht, obwohl es darin nur eine winzige, in den Berg gehauene Schutzhütte ohne Wasser und Strom gibt. Dafür kommt viel staunender Besuch vorbei, ehemalige Studenten zum Beispiel. Nun macht das Ehepaar erstmals mit bei den bundesweiten Gartenspaziergängen, die von örtlichen Landschaftsarchitekten organisiert werden. Dabei können Karchs gewiss sein - einen Weinberg-Garten wie ihrer, der auch noch in "Egypten" liegt, gibt es wohl nur einmal.