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Was alte Fotos erzählen Was alte Fotos erzählen: So bewegt war Halles Vergangenheit

Von Anja Falgowski 21.05.2018, 13:02
Felix Graf Luckner (links) war Gast beim „Deutschen Tag“ 1924.
Felix Graf Luckner (links) war Gast beim „Deutschen Tag“ 1924. Stadtmuseum

Halle (Saale) - Am „Deutschen Tag“ in Halle, im Mai 1924, wurde das nach einem Anschlag zerstörte Moltke-Denkmal am Hansering wieder eingeweiht. Und auf der Pferderennbahn fand eine Großparade statt. Es war der größte Aufmarsch rechter Organisationen in der Weimarer Republik.

Einer der Söhne des deutschen Kaisers, Erich Ludendorff, Felix Graf Luckner und auch Oberbürgermeister Richard Robert Rive gehörten zu den Gästen. Zeitungen berichteten von 50.000, 120.000 oder gar 200.000 Teilnehmern am Deutschen Tag: Massenaufmarsch der revisionistischen Rechten, politischer Festakt und nationalistische Machtdemonstration, mitten im „Roten Halle“. Alles ist dokumentiert - und fotografiert!

In der neuen Reihe „Stadtgeschichte auf Fotos - Halle im 20. Jahrhundert“ im Halleschen Stadtmuseum wird dieser „Deutsche Tag“ bei einem Vortrag am 16. Mai thematisiert, bei dem außerdem Familienfotos als letzte Zeugnisse jüdischen Lebens in Halle vor 1933 gezeigt werden. Und Aufnahmen des großen Trauerzuges für den Bankier Hans Lehmann, 1930, und das Ende einer Familiendynastie.

Immer drei Schnappschüsse

„Visual history“ nennt sich ein Forschungsansatz, der Stadtgeschichte auf der Grundlage historischer Bilder erzählt. Pro Veranstaltung werden drei Fotos gezeigt, über die Referenten in etwa zwanzigminütigen Vorträgen erzählen werden.

Die Deutschen Tage waren jährliche Großveranstaltungen, die hauptsächlich vom Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund ausgerichtet wurden. Am bekanntesten wurde der Deutsche Tag in Coburg, der 1922 stattfand: Hier hatte die Sturmabteilung (SA) der NSDAP ihren ersten öffentlichen Massenauftritt und lieferte sich Straßenschlachten mit linken Gegnern.

Im Anschluss daran soll Zeit für Gespräche mit dem Publikum sein, vielleicht sogar mit Zeitzeugen, falls welche darunter sind. „Die Vorträge sollen nicht akademisch sein, wir wollen ein breites Publikum erreichen“, sagt Susanne Feldmann vom Stadtmuseum. Sie hat gemeinsam mit Daniel Watermann vom Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität und Holger Zaunstöck als Vorsitzendem des Vereins für Hallische Stadtgeschichte die Veranstaltungsreihe konzipiert.

Diese wird sich chronologisch durch das 20. Jahrhundert vorarbeiten, Kaiserzeit, Kriegsjahre, DDR - alles dabei. Selbst Facebook wird ein Vortrag gewidmet. Denn das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Fotografie, und so gibt es auch für Halle einen reichhaltigen Fundus beeindruckender Aufnahmen. Das Stadtmuseum veranstaltet acht Themenabende.

Den Auftakt hatte im April das Foto gemacht, das den Besuch des Kaiserpaares 1903 illustriert. Daniel Watermann hielt den Einführungsvortrag und an der Analyse dieses einen Bildes wurde deutlich, was Geschichtserzählung kann: Wo stand die Kutsche? Wo standen die Kameras? Was hat es mit dem Ehrenbecher auf sich, den der damalige OB dem Kaiser reichte? Der Besuch war das erste große städtische Medienereignis - wie wurde es dokumentiert, wie veröffentlicht, welche Aussagen gab es in der zeitgenössischen Presse?

Umfangreiche Betrachtung

Die Reihe ist so umfangreich, dass hier nur eine kleine Themenauswahl Erwähnung finden kann: Die Märzkämpfe in den Leunawerken 1921; Aufnahmen amerikanischer Fotografen im April 1945 im Roten Ochsen; Halle-Neustadt im Takt der Chemiewerke; konspirative Stützpunkte der Stasi auf dem Marktplatz. Historiker und Archivare der Saalestadt sind die Referenten. „Es haben fast alle, die wir angefragt haben, ihre Mitarbeit zugesagt“, sagt Susanne Feldmann.

Alle Fotos der Reihe haben Stadtgeschichte festgehalten. Zum Beispiel die Aufnahme von Walter Ulbricht, der zu Massen - 90.000 Menschen sollen es gewesen sein - auf dem Hallmarkt spricht. „Die Ordnung ist wiederhergestellt“, hat er vielleicht gesagt, Und die Menschen werden geklatscht haben. Nur wenige Wochen vorher, am 17. Juni, entstand aus derselben Perspektive ein Bild, das die Kundgebung der Streikenden zeigt, im Hintergrund sind sowjetische Panzer zu sehen. Beide Fotos erzählen vom Aufstand 1953.

››Die Reihe „Stadtgeschichte auf Fotos“ findet einmal monatlich, jeweils mittwochs 18 Uhr, bis zum Dezember statt. Die kommende Veranstaltung findet am 16. Mai statt. (mz)