Eigenbetrieb für Arbeitsförderung Vorwürfe gegen Eigenbetrieb in Halle: Wurden jahrelang Vorschriften missachtet?
Ein städtischer Eigenbetrieb hat mutmaßlich jahrelang Vorschriften missachtet und ohne Stadtratsbeschlüsse Aufträge in sechsstelliger Höhe vergeben.

Halle (Saale)/MZ - Der Eigenbetrieb für Arbeitsförderung der Stadt Halle (EfA) ist schweren Vorwürfen ausgesetzt. Angeblich haben Verantwortliche seit Jahren immer wieder gegen Verwaltungsvorschriften verstoßen. Es geht um Aufträge für Firmen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro, die mutmaßlich rechtswidrig am Stadtrat vorbei vergeben wurden. Aus dem Rathaus kommen widersprüchliche Antworten. Wusste man etwa von den Verfehlungen?
Seit dem Jahr 2019 hat der EfA eigenen Aussagen zufolge insgesamt 24 Mal Dienstleistungen oder Waren von externen Firmen in Anspruch genommen. Darunter fallen beispielsweise mehrere Leasingverträge für Transporter oder andere Fahrzeuge, die Beschaffung von neuer Arbeitsbekleidung, ein Wegeleitsystem im Haus der Jugend, Maschinen und Geräte oder auch Corona-Schnelltests.
Ab einer Wertgrenze von 40.000 Euro ist bei derartigen Auftragsvergaben normalerweise der städtische Vergabeausschuss zuständig. Doch der wurde in den vergangenen Jahren nie beteiligt. Die Aufträge wurden allesamt umgesetzt, ohne dass ein Stadtrat das prüfen oder etwas dagegen hätte einwenden können. Es geht seit 2019 um Vergaben für eine Summe von insgesamt rund 670.000 Euro.
„Das ist ein ziemlich starkes Stück“, sagt Sven Thomas (Hauptsache Halle & Freie Wähler). Er ist Vorsitzender des städtischen Bau- und Vergabeausschusses, in dem eigentlich demokratisch über solche Aufträge abgestimmt werden soll. Die Kontroll- und Absicherungsfunktion des Ausschusses sei jahrelang ausgehebelt worden, sagt Thomas. In einer Anfrage an die Stadtverwaltung hatte er die Ungereimtheiten beim EfA zutage gefördert.
In einem Stadtratsdokument vom 7. Dezember 2022 räumt der EfA ein, dass einige der 24 Aufträge seit 2019 tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich des Ausschusses gehörten. Warum sie dort nicht aufgetaucht sind, ist unklar. Nur zwei Wochen später – am 21. Dezember – zog die Stadtverwaltung diese erste Antwort auf Thomas’ Anfrage jedoch wieder zurück und lieferte eine neue. In dem zweiten Dokument hieß es dann: Vergaben im Zuständigkeitsbereich des Ausschusses hätte es nicht gegeben. Offenbar war die erste Antwort intern nicht gut genug abgestimmt worden.
Gegenüber der MZ gibt sich das Rathaus schmallippig. Vergabevorgänge seien nichtöffentliche Angelegenheiten, sagt Stadtsprecher Drago Bock. Was die Antworten auf die Fragen von Stadtrat Sven Thomas betrifft, sei zunächst eine „falsche Antwort“ gegeben worden, die „nicht den rechtlichen Rahmenbedingungen“ entsprochen habe. Das habe man korrigiert. Verstöße gegen Vorschriften habe es nicht gegeben, sagt Bock. Er verweist auf die Satzung des EfA, in der alles geregelt sei.
Das gehört eigentlich zum kleinen Einmaleins jedes Verwaltungsmitarbeiters.
Sven Thomas, Hauptsache-Halle-Stadtrat
Doch die Vorwürfe stehen nun im Raum. Sven Thomas glaubt, dass die Auffassung der Stadt „nicht annähernd haltbar“ ist. Seiner Meinung nach wurden Entscheidungsrechte des Stadtrates missachtet und die Stadt sei ihrer Aufsichtspflicht über den EfA über Jahre nicht ausreichend nachgekommen. Dass Vergaben ab einer bestimmten Summe Sache des Stadtrates seien, gehöre eigentlich „zum kleinen Einmaleins“ jedes Verwaltungsmitarbeiters. In der Satzung des EfA sei das auch nicht anders festgelegt. Nun müsse geprüft werden, ob bei den mutmaßlich rechtswidrigen Aufträgen möglicherweise sogar ein Schaden für die Stadt entstanden ist. Bislang gebe es dafür allerdings noch keine Anhaltspunkte, sagt Thomas. Er verlangt Aufklärung.
Sowohl die Stadtverwaltung als auch Sven Thomas haben sich mit der Angelegenheit an die Aufsichtsbehörde gewandt. Das Landesverwaltungsamt bestätigte das auf MZ-Anfrage. Man prüfe die Rechtslage und wolle der Stadt im Laufe der Woche das Ergebnis übermitteln, sagt Denise Vopel, Pressesprecherin im Landesverwaltungsamt.

Der Eigenbetrieb für Arbeitsförderung (EfA) ist in Halle in erster Linie dafür zuständig, Menschen, die Sozialleistungen bekommen, einzugliedern und zu beschäftigen. Im Aufgabenbereich des EfA liegen die sogenannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im gewerblich-technischen Bereich und auch die Förderung der städtischen Jugendwerkstätten. Der Hauptsitz des EfA befindet sich im Hibiskusweg in Neustadt.
Träger des EfA ist alleine die Stadt Halle. Der Betriebsleiter wird vom Stadtrat bestimmt, der Rat ist auch oberste Dienstbehörde des Leiters. Zum Stichtag 30. Juni 2022 arbeiteten mehr als 250 Menschen beim EfA. Laut Wirtschaftsplan werden insgesamt rund 1.500 Hallensern Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht. Das Budget des EfA beträgt knapp 6,9 Millionen Euro pro Jahr. Das Geld stammt aus Fördermitteln.