Vom Boxer zum Friseur Vom Boxer zum Friseur: Der Barbier von Neustadt

Halle (Saale) - Die Eitelkeit des Menschen kennt Hunar Ahmed mit Sicherheit. Der gelernte Friseur betreibt in Halle-Neustadt seit einem Jahr einen Barbier-Laden. Und dort legt er größten Wert auf die Zufriedenheit seiner Kunden, wo alle dieselbe Aufmerksamkeit bekommen. Darauf legt der 22-jährige Geschäftsführer großen Wert.
Hunar Ahmed kann trotz seiner Jugend auf eine bewegte Lebensgeschichte zurückblicken. Seine Familie stammt aus der Stadt Dohuk im Nord-Irak und gehört zur kurdischen Minderheit des Landes. Bereits 1998 emigrierte sein Vater Jallal nach Deutschland. Kurden waren während des Regimes von Saddam Hussein ständig Repressalien ausgesetzt. Geschichtlich war die Region schon nach dem Ersten Weltkrieg stets ein Unruheherd. Auch als Kurdistan seit 1991 ein gewisses Maß an Autonomie genoss, folgte ein militärischer Konflikt zwischen rivalisierenden kurdischen Organisationen.
Die Ohnmacht und Gefahren inmitten der gewaltsamen Auseinandersetzungen seien der Grund für den Wegzug der Familie gewesen, erzählt Ahmed. Im Jahr 2001 kam er im Alter von sieben Jahren nach Deutschland. Eingeschult wurde er 2002 in der Sekundarschule Kastanienallee in Halle-Neustadt.
Was bringt die Zukunft?
Alles war neu für den damals kleinen Jungen - ein fremdes Land mit einer neuen Sprache. Doch mit Hilfe seiner Mitschüler gewöhnte er sich schnell ein. Und im Alter von elf Jahren entdeckte er seine große Leidenschaft: das Boxen. Als Athlet der ESG Halle feierte er beachtliche Erfolge als zweifacher Landesmeister in den Jahren 2008 und 2009 und Dritter bei den Deutschen Meisterschaften im Jahr 2009.
Irgendwann stellte er sich die Frage: Was bringt die Zukunft? Das „nach oben boxen“ hatte Hunar Ahmed auf buchstäbliche Weise schon geschafft. „Eine Karriere im Profisport schien mir damals zu unsicher“, sagt er. Und so kam ihm ein Praktikum in einem Friseurladen in der neunten Klasse als willkommene Inspiration gerade recht. 2011 begann Ahmed daraufhin eine Ausbildung bei der Friseur-Kette Klinck.
Damit begann sein Einstieg in das Berufsleben. Anfangs stand Fegen und Putzen im Friseurladen auf der Tagesordnung. Gewöhnt war er das von zu Hause nicht, bemerkt Hunar Ahmed schmunzelnd. Der Umgang mit Kunden habe ihm aufgrund seiner Schüchternheit anfangs etwas Probleme bereitet. Seine Ausbilderin in der Filiale in der Großen Ulrichstraße riet ihm daraufhin: „Hunar, du musst mit den Kunden reden!“. Und selbst Trinkgeld wollte er aus Stolz zu Beginn nicht annehmen. Heutzutage wähnt Ahmed in der Kommunikation mit den Kunden seine Stärke.
Kein Versicherungsschutz für Vandalismus
Nach der Beendigung seiner Ausbildung entschied der frischgebackene Friseurgeselle, sich selbstständig zu machen. In Halle-Neustadt entdeckte er ein passendes Objekt. Unterstützung erhielt Ahmed im Rahmen eines Existenzgründer-Lehrganges. Zudem renovierte er den Laden und richtete ihn mit Barbier-Stühlen ein. Doch kurz nach der Eröffnung im November 2015 ereilte Hunar Ahmed ein Schicksalsschlag.
Am 5. Dezember stürmte ein damals 29-jähriger Mann in seinen Laden und verwüstete ihn. Es entstand ein Sachschaden von mehreren Tausend Euro. Im schlimmsten Fall hätte ihn das die berufliche Existenz kosten können, zumal Ahmed keinen Versicherungsschutz für Vandalismus abgeschlossen hatte. Der Verursacher war aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, den Schaden zu ersetzen. So zahlte der Jungunternehmer auf äußerst unangenehme Weise nochmals „Lehrgeld“.
Dennoch: Die nächste Etappe im Leben von Hunar Ahmed wird die Ausbildung zum Friseurmeister sein, die ab Januar des nächsten Jahres beginnt. Geduld und Disziplin muss man dafür aufbringen – und angehen will der 22-Jährige diese Aufgabe von Schritt zu Schritt. (mz)