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Verwirrung um Haushaltssperre Verwirrung um Haushaltssperre: Ist Halle nun pleite - oder doch nicht?

Von Dirk Skrzypczak 08.03.2019, 09:49
Der hallesche Ratshof am Markt
Der hallesche Ratshof am Markt Thomas Meinicke/Archiv

Halle (Saale) - In der Stadtpolitik sorgt ein achtseitiges Papier aus der Kämmerei für Aufregung, das offensichtlich noch unter Verschluss gehalten werden sollte. Darin fordert Bürgermeister Egbert Geier, Halles oberster Finanzer, alle Geschäftsbereiche zum strikten Sparen auf und verhängt eine Haushaltssperre. Die geplanten Zuschüsse für freiwillige Leistungen sind demnach ebenso blockiert wie Auszahlungen für Investitionen. Das Geld darf nur nach Einzelprüfungen ausgezahlt werden.

Am Donnerstag meldete sich daraufhin Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) auf MZ-Nachfrage zu Wort. „Es handelt sich um einen Entwurf“, sagt der OB. Eine Handlungsempfehlung für die Verwaltung, wie der Haushaltsplan in diesem Jahr umgesetzt werden soll. Ob tatsächlich mit Haushaltsperren gearbeitet wird, entscheidet sich am 12. März in der Beigeordnetenkonferenz. „Bis dahin können alle Beigeordneten Vorschläge einbringen.“

Verwirrung um Haushaltssperre in Halle: Wiegand vermutet Absicht

Dass Geiers Papier nach Außen lanciert wurde, wertet der OB als gezielte Attacke. Offenbar würden sich kommunalpolitische Bemühungen gegenwärtig darauf konzentrieren, im Vorfeld der Kommunalwahl Ängste zu schüren. Tatsächlich hätte eine umfangreiche Haushaltssperre, die erste dieser Art in der Amtszeit Wiegands, weitreichende Folgen. Rund 60 Millionen Euro will die Stadt in diesem Jahr für freiwillige Leistungen ausgeben - für die Förderung von Kultur und Sport, von Vereinen, Institutionen. Freiwillig sind auch die Zuschüsse für den Betrieb der Bäder, die Pflege von Grünanlagen, die Reparatur kaputter Straßen.

Zudem will die Stadt kräftig investieren: in den Neubau von Schulen und Kitas etwa. Das Land hatte die Stadt bereits aufgefordert, die „sachliche Unabweisbarkeit“ der Investitionen nachzuweisen. „Das ist erfolgt“, sagt der OB. Der laufende Geschäftsbetrieb sei nicht in Gefahr. Ziel für Stadt und freie Träger müsse es sein, „eine Balance zwischen Sparen und Investieren zu schaffen - wie in den vergangenen Jahren auch“.

Verwirrung um Haushaltssperre in Halle: SPD mit harscher Kritik

Und doch birgt die Vorlage aus der Kämmerei erhebliches Sprengpotenzial. Die Liquiditätskredite zur Absicherung der täglichen Verwaltungsarbeit, vergleichbar mit einem Dispo-Kredit, darf Halle maximal in einer Höhe von 350 Millionen Euro ausschöpfen. „Zur Sicherheit der Einhaltung des genehmigten Höchstbetrags erfolgt eine restriktive Bewirtschaftung des Haushaltsplans für 2019“, schreibt Geier. Offenbar fürchtet der SPD-Politiker sonst die Zahlungsunfähigkeit der Stadt.

„Den OB holt die finanzpolitische Realität ein. Ehrlicherweise muss man zugeben, dass wir in den vergangenen Jahren gerade auch bei freiwilligen Leistungen Speck angesetzt haben “, sagt Andreas Scholtyssek (CDU). „Dass alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden, ist in unserer Situation zweifellos richtig“, meint Bodo Meerheim (Linke). Haushaltssperren habe es immer mal gegeben. „Aber in so einer Form habe ich es noch nie erlebt. Das zeigt, wie prekär die Kämmerei die Lage einschätzt.“ Meerheim wertet es als Retourkutsche, dass der OB jene Projekte zunächst auf Eis legt, die der Stadtrat selbst vorgeschlagen hatte. Ihr Volumen beläuft sich auf 4,8 Millionen Euro. Der OB will das Geld erst ausgeben, wenn die Einnahmen zur Gegenfinanzierung auch tatsächlich eingegangen sind.

Verwirrung um Haushaltssperre in Halle: Schwieriger Schuldenabbau

Die SPD knöpft sich Wiegand vor. „Der Oberbürgermeister hat Halle in den letzten sechs Jahren finanzpolitisch sehenden Auges gegen die Wand gefahren. Jahr für Jahr hat er suggeriert, die städtischen Haushalte seien ausgeglichen und damit die Öffentlichkeit belogen. Tatsächlich hat die Stadt immer mehr Kassenkredite gebraucht, um zahlungsfähig zu bleiben“, wettert Halles SPD-Chef Andreas Schmidt. Johannes Krause (SPD) stellt noch einmal klar, dass man einem Verkauf städtischer Gesellschaften nicht zustimmen werde, um den Haushalt zu sanieren. Allerdings hatte Wiegand in der jüngsten Stadtratssitzung erklärt, derartige Pläne nicht zu verfolgen.

Dass Halle vor einer Zäsur seiner Finanzpolitik steht, ist unstrittig. Das Land verlangt von der Stadt, dass sie ihren Dispokredit abbaut: Um rund 200 Millionen Euro müsste Halle innerhalb von fünf Jahren seinen Kassenkredit demnach reduzieren. Bis zum 30. September muss die Stadt dafür beim Land ein Konzept vorlegen, wie sie sparen will. (mz)