Verwaltungsgericht Halle Verwaltungsgericht Halle: Künstlerhaus 188 darf nicht abgerissen werden

Halle (Saale) - Es ist ein Sieg auf ganzer Linie für den Denkmalschutz: Das Verwaltungsgericht Halle hat den vom Stadtrat vor fast zwei Jahren beschlossenen Abriss des „Künstlerhauses 188“ verboten. Die Kammer wies gestern die Klage der Halleschen Verkehrs AG (Havag) zurück, die auf diesem Weg die sogenannte denkmalrechtliche Abrissgenehmigung erzwingen wollte. Das Landesverwaltungsamt als oberste Denkmalschutzbehörde hatte im vergangenen Jahr den umstrittenen Abriss des „188“ verweigert.
Das nur teilweise genutzte und auch nur teilweise sanierte, aber denkmalgeschützte ehemalige Schulhaus aus dem Jahr 1893 steht dem hoch geförderten Ausbau des Böllberger Weges und der Kreuzung Torstraße im Zuge des Stadtbahnprogramms im Weg. Der Abriss sei nach langer Abwägung als einzig realistische Variante gewählt worden.
Doch dem stimmte das Gericht nicht zu. „Es ist fraglich, ob hier tatsächlich der geforderte möglichst geringfügigste Eingriff in das Denkmal gewählt wurde. Nach Auffassung des Gerichtes sind Alternativen zum Abriss möglich. In einer bestehenden Straße ist auch ein nicht regelkonformer Ausbau möglich“, sagte Richter Ulrich Meyer-Bockenkamp. Zudem könne man den Fahrradweg etwa auch durch eine Nebenstraße um die Schule herum führen.
"Bedeutendes Kulturdenkmal"
„Das unbestreitbare öffentliche Interesse, die Verkehrssituation im Böllberger Weg zu lösen, wiegt nicht schwerer, als das öffentliche Interesse, das bedeutende Kulturdenkmal zu erhalten“, so Gerichtspräsident Bockenkamp weiter. Bis an die Grenze der Zumutbarkeit zu gehen, ein Denkmal zu erhalten, das werde schließlich auch von privaten Eigentümern verlangt.
Für die Stadt und die Stadtwerke-Tochter Havag ist das Urteil eine klare Niederlage. Man werte das schriftliche Urteil zunächst aus, so Sprecherin Iris Rudolph. Sie benannte auch die Konsequenzen der Entscheidung: „Das Künstlerhaus 188 bleibt stehen. Demzufolge wird der Bereich vor dem Künstlerhaus nicht im Stadtbahnprogramms saniert. Erst zur gegebenen Zeit werden die erforderliche Reparaturen am Schienenweg durchgeführt. Der ursprünglich geplante Ausbau aller Verkehrswege mit Fuß- und Radweg findet nicht statt.“
„Nun wird der Autoverkehr in die Wohnviertel gedrängt. Und die notwendige zusätzliche Ampel an der Kreuzung wird zu Staus führen“, prognostizierte Erhard Krüger nach dem Urteil. Der Projektleiter der Havag für das Stadtbahnprogramm hatte in dem eineinhalbstündigen Rechtsgespräch zuvor argumentiert, dass der Abriss der Schule die einzige Variante sei, um Straße und Kreuzung für alle Verkehrsteilnehmer - Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und Straßenbahn - gleichermaßen sicher und leistungsfähig zu machen.
Preußischer Schulbau
Erleichterung herrschte hingegen nach dem Urteil bei den Denkmalschützern im voll besetzten Gerichtssaal. Darunter waren auch viele Bürger, die um den Erhalt der alten Weingärten-Schule kämpften. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie hatte in der Verhandlung kritisiert, dass nicht alle Varianten geprüft worden seien. Landeskonservatorin Ulrike Wendland betonte vor allem den hohen Denkmalwert der Weingärten-Schule als Beispiel des preußischen Schulbaus der Gründerzeit, aber auch als Erinnerungs- und Kulturort in Glaucha. Das Haus sei auch ein Zeugnis der Stadtentwicklung Halles in der Gründerzeit. Sie kritisierte, dass man als Denkmalfachbehörde und Landesamt erst sehr spät in die Variantenprüfung einbezogen worden sei.
Der geplante Abriss des „188“, den der Stadtrat mehrheitlich, aber schweren Herzens 2013 beschlossen hatte, sorgte seither auch überregional für großes Aufsehen. Obwohl es weiter keine Nutzungsidee für das Gebäude gibt, hat die Schule, die seit 1985 keine Schüler mehr hat und später als „Künstlerhaus 188“ diente, doch viele Verteidiger gefunden. Unter anderem hatte sich der Liedermacher Wolf Biermann für die Rettung eingesetzt. (mz)
