Verkehrssicherheit in Sachsen-Anhalt Verkehrssicherheit in Sachsen-Anhalt: "Wir stoßen an Grenzen"

Halle (Saale) - Wie sicher sind die Schulwege im Land? MZ-Redakteur Peter Godazgar sprach darüber mit dem Vizepräsidenten der Landesverkehrswacht Sachsen-Anhalt, Wulf Hoffmann.
In Ihrem Konzept zur Schulwegsicherheit heißt es gleich im ersten Satz: „Kinder sind gerade auch auf dem Schulweg besonderen Gefährdungen ausgesetzt.“ Ist der Schulweg wirklich so gefährlich?
Hoffmann: Auswertungen aus vielen Jahren zeigen: Die Zahlen liegen in Sachsen-Anhalt über dem Bundesdurchschnitt. 2012 wurden 117 Unfälle auf Schulwegen gezählt.
Welche Erklärung haben Sie für das vergleichsweise schlechte Abschneiden?
Hoffmann: Ich glaube nicht, dass Sachsen-Anhalts Autofahrer schlechter fahren oder unaufmerksamer sind. Das Land hat zunächst aufgrund seiner geringeren Bevölkerungsdichte einfach rein mathematisch einen Nachteil. Wir wissen aus der Statistik: Unfallkennzahlen korrelieren mit der Einwohnerdichte.
Zu den Ergebnissen der Statistiken gehört auch dieses: Die meisten Schulweg-Unfälle ereignen sich in der Nähe zur jeweiligen Wohnung des Kindes.
Hoffmann: Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass dies der Bereich ist, den das Kind sehr gut kennt und in dem es sich routiniert bewegt. Das heißt aber auch, dass es weniger aufmerksam ist, als an anderen Stellen.
Wie wollen Sie das ändern?
Hoffmann: Wir sind nicht so weltfremd zu glauben, wir könnten das Problem mit Appellen an die Kinder in den Griff bekommen. Das Verhalten von Kindern ist immer zu einem gewissen Teil spontan und unerwartet. Da sind wir unbedingt auf die Mithilfe von Eltern und Lehrern angewiesen. Umso wichtiger ist uns, die Infrastruktur in den Blick zu nehmen.
Was meinen Sie?
Hoffmann: Nehmen wir das klassische Beispiel: ein Zebrastreifen, falsch angelegt, schlecht sichtbar, nicht beleuchtet, querende Fußgänger nur zu bestimmten Tageszeiten. So einen Überweg nimmt der Autofahrer irgendwann nicht mehr
Insgesamt betrachtet: Stoßen Sie mit Ihren Einschätzungen bei Stadt und Land auf offene Ohren?
Hoffmann: Unsere Erfahrung ist: Wenn wir Verbesserungsvorschläge gemacht haben, dann ist in aller Regel auch eine Lösung gefunden worden. Es geht hier einfach um die Verkehrssicherheit von Kindern. Unser Konzept zur Schulwegsicherheit ist beispielsweise auch von allen zuständigen Ministerien bestätigt worden.
Apropos Konzept: Was kann aus Ihrer Sicht helfen, die Unfallzahlen zu senken?
Hoffmann: Die Landesverkehrswacht verfolgt verschiedene Projekte: Zu den Schwerpunkten gehört aktuell das Thema „Schulweghelfer“. Damit sollen die Funktionen und Aufgaben der bekannten Schülerlotsen und Schulbusbegleiter, die übrigens auch als Streitschlichter fungieren können, zusammengeführt werden. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Jugendverkehrsschulen, mit denen wir die Sicherheit all jener Schüler stärken, die mit dem Rad unterwegs sind. Es gibt die Verkehrsschulen zwar seit mehr als 20 Jahren, aber hier brauchen wir weiter Unterstützung. Wir stoßen da langsam an unsere Grenzen; wir sind ja bei der Verkehrswacht alle ehrenamtlich tätig.
wahr, ich denke, da kann sich jeder an die eigene Nase fassen. Solche Probleme müssen durch bauliche Veränderungen gelöst werden.
Zwei neue Hinweise auf gefährliche Stellen auf halleschen Straßen haben wir von unseren Lesern erhalten. So macht einer auf die Situation am Zebrastreifen im Heideweg in Dölau aufmerksam: Dort seien Autofahrer häufig viel zu schnell unterwegs; sogar Überholmanöver unmittelbar am Überweg hat der Leser schon beobachtet. Ein zweiter hingegen ärgert sich regelmäßig über Leute, die morgens im Paulusviertel ihre Autos in Kreuzungsbereichen abstellen. Dadurch werde die Sicht sowohl für Schulkinder als auch für andere Autofahrer stark eingeschränkt.
Und unsere Aktion läuft natürlich weiter: Melden Sie uns via Smartphone oder E-Mail mögliche Gefahrenquellen. Gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort nehmen sich die Mitarbeiter der MZ-Lokalredaktion der Probleme an und versuchen eine Lösung zu finden. Über die Ergebnisse werden wir regelmäßig in der Lokalausgabe berichten.
Sie können die Risikostellen gleich über ein Formular melden. Um das Formular zu nutzen, müssen Sie in den Einstellungen den Zugriff auf Ihren Standort erlauben, damit Ihre aktuelle Position ermittelt wird. Diese Daten werden benötigt, da die Einsendungen später auf einer interaktiven Karte veröffentlicht werden. Die abgefragten persönlichen Daten werden übrigens nicht veröffentlicht, sondern stehen der Redaktion ausschließlich für Rückfragen zur Verfügung. Jetzt laden Sie Ihr Foto hoch. Achten Sie darauf, dass Sie keine Fotos verwenden, bei denen Rechte Dritter verletzt werden - zum Beispiel Personen, die auf dem Bild sind. Geben Sie nach Hinzufügen des Fotos im darunterliegenden Feld eine kurze Beschreibung der Gefahrenstelle ein. Alternativ können Sie auch eine E-Mail an die Adresse [email protected] schicken.
In der ganzen Diskussion taucht schnell die Forderung nach mehr Schildern auf.
Hoffmann: In der neuen Straßenverkehrsordnung bekennt sich der Gesetzgeber ganz klar dazu, dass er weniger Verkehrszeichen will. Ich habe selbst vor meiner Pensionierung als Polizeibeamter gearbeitet, zuletzt im Innenministerium, aber auch viele Jahre als Leiter einer Unfallkommission. In all den Jahren gab es nicht einen Antrag, auch nur ein Schild abzubauen. Mehr Schilder jedoch, das sagen alle Studien, bringen nicht mehr Sicherheit. Und ich möchte behaupten: Es gibt hierzulande keine Schule, an der es zu wenige Warnschilder für Autofahrer gibt.
Reden wir zum Schluss noch über die Eltern?
Hoffmann: Ach, ja, die Eltern. Viele würden ihre Kinder am liebsten bis ins Klassenzimmer fahren.
Vor manchen Schulen spielen sich vor Schulbeginn chaotische Szenen ab.
Hoffmann: Das ist so. Eltern haben meist nur ihr eigenes Kind im Fokus. Hier kann man nicht oft genug an die Vernunft appellieren. Gegebenenfalls sind auch hier infrastrukturelle Maßnahmen anzugehen, schulnahe Parkplätze etwa.
Am Ende läuft es doch immer auf den vielzitierten Paragrafen 1 der Straßenverkehrsordnung hinaus: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“
Hoffmann: Wenn jeder diesen Paragrafen beachten würde, bräuchten wir viele, viele andere Paragrafen gar nicht. (mz)
