Urteil wegen Kindesmisshandlung Urteil wegen Kindesmisshandlung: Schläger prügelt Kleinkind ins Koma

Halle (Saale) - Es ist eines der ungewöhnlichsten Verfahren der letzten Monate am Landgericht Halle: Wegen schwerer Misshandlung eines Zweijährigen ist am Freitag ein 37-jähriger Hallenser zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.
Der Drogenabhängige hatte den Jungen seiner damaligen Freundin mindestens zwei Monate lang geprügelt, ihm Arme und Schlüsselbein gebrochen und ihn schließlich im März 2015 so schwer geschüttelt, dass das Kind eine Hirnblutung und einen Herzstillstand erlitt und wiederbelebt werden musste. Heute liegt der Junge in einem Krankenhaus im Wachkoma, kann weder essen noch sprechen oder laufen - ohne Hoffnung auf Besserung.
Mutter kommt mit Bewährungsstrafe davon
Die mitangeklagte Mutter kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Ihr wird zur Last gelegt, nichts gegen die Misshandlungen unternommen zu haben. „Sie hätten die Pflicht gehabt, ihr Kind zu schützen“, begründete der Vorsitzende Richter Jan Stengel das Urteil.
Doch auch wenn das Schwurgericht den schrecklichen Fall in sechs Verhandlungstagen ausführlich beleuchtet hat, bleibt eines unklar: das Motiv. Zeugen hatten der 27-Jährigen bescheinigt, dass sie eine gute Mutter sei. Und so war sie mit dem Kind, das nach Aussagen eines Arztes „mit Hämatomen übersät“ war, bereits vor der Tat zweimal in der Uniklinik.
Fall von Kindesmisshandlung
Für den behandelnden Arzt war klar, dass ein Fall von Kindesmisshandlung vorlag, was die Mutter von sich wies und stattdessen das Kind auf ihren Wunsch wieder entlassen wurde. Der Arzt schaltete die Kinderschutzgruppe der Klinik ein, ebenso das Jugendamt. Doch nichts passierte.
Auch der Tagesmutter war aufgefallen, dass sich der Junge verändert hatte, nachdem der neue Freund in das Leben seiner Mutter getreten war. Der Zweijährige wurde plötzlich aggressiv, biss andere Kinder so heftig, dass es blutete. Doch genau deswegen wurde er nicht mehr betreut, der Vertrag wurde aufgehoben.
Hinter den geschlossenen Türen der Wohnung
Was hinter den geschlossenen Türen der Wohnung des Angeklagten geschah, in dem die Mutter mit ihrem Kind trotz eigener Wohnung weitgehend lebte, das blieb im Dunkeln. Zeugen berichteten von einem „Hörigkeitsverhältnis“. Dramatisches schilderte auch die Frau, mit der der Angeklagte vor der 27-Jährigen zusammen war: Nachdem sie ihm gesagt hatte, das sie einen anderen hat, habe er sie bedroht, kontrolliert, in der Wohnung eingeschlossen. Der gemeinsame Sohn hatte von Schlägen und Wutanfällen des 37-Jährigen berichtet, auch Tiere soll er misshandelt haben. Das Vorstrafenregister des Angeklagten beinhaltet mehrere Verurteilungen wegen Körperverletzung, Bedrohung und Erpressung - neben Drogendelikten.
Fest steht nach der Verhandlung am Landgericht: Am Tattag weckte der 37-Jährige seine Freundin mit dem Worten „Mit deinem Jungen ist etwas“. Der Junge lag leblos auf dem Boden, die Hose war heruntergezogen. Er bewegte sich nicht, war nicht ansprechbar. Die junge Mutter alarmierte den Notarzt. Doch der durfte nicht in die Wohnung des Angeklagten kommen: „Ruf ihn zu deiner Wohnung“, soll der Angeklagte gesagt haben. Und so rannte die 27-Jährige mit dem leblosen Kind auf dem Arm zu ihrer Wohnung, die nur wenige Minuten entfernt lag. Der Notarzt nahm zwölf Minuten später auf der Straße ein Kind in Empfang, das bereits blau angelaufen war und wiederbelebt werden musste.
Vorwürfe des versuchten Totschlags
Während der 37-Jährige in dem Prozess die Vorwürfe des versuchten Totschlags und der Kindesmisshandlung pauschal von sich gewiesen hatte, hatte die Mutter betont, sie habe nichts von den Misshandlungen bemerkt.
Doch das glaubten ihr die Richter nicht. Beide Verteidiger hatten Freispruch beantragt. Dem konnte das Gericht nicht folgen: „Fakt ist, dass ein Kleinkind aufgrund seiner schweren Verletzungen nur noch in geringem Umfang am Leben teilnehmen kann.“ (mz)