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Uniklinikum Halle Gespräch mit Infektiologen über Neuinfektionen, Corona als Nebendiagnose, Tod und Angst

Trotz vieler Neuinfektionen zeigt sich am Uniklinikum Halle: Das Virus ist meist nur eine Nebendiagnose. Ein Gespräch mit dem Leiter der Infektiologie über Covid-Todesfälle, die Behandlung infizierter Patenten und den eigenen Schutz vor einer Infektion.

04.09.2022, 18:52
Intensivpfleger versorgen im November 2021 einen schwer an Covid-19 erkrankten Patienten am Uniklinikum. Inzwischen gibt es kaum noch schwere Fälle.
Intensivpfleger versorgen im November 2021 einen schwer an Covid-19 erkrankten Patienten am Uniklinikum. Inzwischen gibt es kaum noch schwere Fälle. Foto: dpa

Halle (Saale)/MZ - In Halle werden Woche für Woche mehrere Hundert Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Wie wirkt sich das auf die Lage am Uniklinikum und auf der Intensivstation aus? Denny Kleindienst sprach mit Stefan Moritz, Leiter der Infektiologie der Universitätsmedizin Halle.

Wir sind im dritten Corona-Jahr angekommen. Haben Sie noch Angst vor dem Virus?

Moritz: Die Angst ist sicherlich nicht mehr da. Wir wissen jetzt, damit umzugehen. Wir haben Medikamente und Therapieoptionen an der Hand. Wir haben deutlich mehr Einblicke in Ansteckungswege bekommen. Aber das Virus bedarf einer Aufmerksamkeit.

Wie schätzen Sie aktuell die Gefahr eines schweren bis tödlichen Krankheitsverlaufs nach einer Coronainfektion ein?

Seit Omikron ist das Risiko deutlich geringer. Aber auch bei Omikron besteht ein gewisses Restrisiko, insbesondere für gefährdete Patienten: Für Hochbetagte, immunsupprimierte und transplantierte Patienten oder Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Insbesondere auch für die Personen, die nicht geimpft sind. Die Impfung schützt zwar jetzt nicht mehr so gut vor einer Ansteckung, wie sie das einmal getan hat. Aber sie schützt immer noch sehr gut vor einem schweren Verlauf. Und wir sehen schon, dass ungeimpfte Personen deutlich häufiger einen schweren Verlauf haben als Geimpfte.

Gab es zuletzt Fälle am Uniklinikum, wo Menschen an einer Covid-Erkrankung gestorben sind?

Gerade die Universitätsklinik behandelt Personen mit schwersten Vorerkrankungen und da kommt auch das immer wieder mal vor. Wir haben die Zahlen deutlich reduzieren können. Aber ganz ausschließen wird man das nie können.

Wie viele Covid-Intensivfälle gibt es derzeit am Uniklinikum?

Wir haben momentan einen.

Was lässt sich über die Person und die Intensivpatienten der letzten Zeit sagen?

Wir unterscheiden in der Statistik nicht ,wegen’ oder ,mit’ Corona. Allerdings sehen wir schon viele Intensivpatienten, die mit Corona kommen, aber eigentlich ein anderes Problem haben. Das sind Patienten, die etwa wegen einem Verkehrsunfall eingeliefert werden und bei denen Corona dann erst im Klinikum diagnostiziert wird. Vereinzelt sehen wir noch Patienten, die wegen einer Covid-Erkrankung auf die Intensivstation müssen.

Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft gab es in den letzten Monaten einen stetigen Rückgang bei den Belegungszahlen von Corona-positiv-getesteten Patienten. Anfang September waren deutschlandweit fast 92 Prozent aller Covid-Patienten auf Normalstationen in den den Kliniken untergebracht und lediglich 3,6 Prozent der Intensivbetten wurden von Covid-Patienten belegt. Wobei in Sachsen-Anhalt entgegen dem deutschlandweiten Trend die Belegungszahlen auf den Intensivstationen zuletzt wieder zugenommen hat.

Wir haben vor allem unsere Zahlen im Blick, sehen aber auch, dass die Zahlen in den letzten Wochen rückläufig sind. Wobei das natürlich Schwankungen unterliegt. Insgesamt sind wir in einem sehr niedrigen Bereich, was die Intensivpatienten angeht. Auch bei den Patienten, die aufgrund einer Corona-Infektion derzeit im Krankenhaus sind, sind wir bei sehr niedrigen Zahlen. Momentan sind das etwa fünf Patienten. Alle anderen sind mit einer Infektion als Nebendiagnose da.

Wie läuft aktuell die Behandlung von Corona-Fällen am Klinikum?

Wir haben das angepasst. Patienten, deren Hauptproblem die Covid-Erkrankung ist, werden in einer spezialisierten Einheit behandelt, wo auch die Ärzte und Pflegekräfte spezialisiert sind auf die Behandlung der Covid-Erkrankung. Alle anderen, die Covid nur als Nebendiagnose haben, bringen wir auf den jeweiligen Fachabteilungen unter, so dass ihr Hauptproblem immer am besten behandelt wird. Hygienisch können wir das mittlerweile gut abbilden. Wir haben Zimmer, wo wir diese Patienten unterbringen, ohne die anderen zu gefährden. Der Schutz der anderen Patienten ist immer sichergestellt.

Die Zahl der Neuinfektionen ist über den Sommer nicht wirklich abgebrochen. Macht Ihnen das Sorge?

Das war zu erwarten. Wir haben eine Sommer-Welle. Sorgen für den Herbst bereiten uns eher die Belastungen durch Personalausfälle.

Stellen Sie sich auf mehr Covid-Patienten im Herbst ein?

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht für den Herbst und uns intensiv vorbereitet: Wie wir mit steigenden Zahlen umgehen. Welche Schutzmaßnahmen am Klinikum wieder gelten könnten. Wir haben ein breites Repertoire an Möglichkeiten und sehen uns sehr gut gerüstet für den Herbst.

Werden noch Betten freigehalten oder gibt es Reserven, die man schnell hochfahren kann am Uniklinikum?

Momentan werden keine Betten freigehalten oder gesperrt. Alle Betten stehen zur Verfügung für die Behandlung von Patienten. Wir haben aber Betten, die wir sofort nutzen können für Corona-Patienten. Aber das sind keine ganzen Bereiche. Es gibt zwar auch diese Konzepte, die wir im Notfall machen könnten. Aber wir rechnen nicht damit, dass wir das brauchen.

Welche Gefahr geht von neuen Coronavirus-Varianten aus?

Dieses Virus mutiert ständig. Ich erwarte aber nicht, dass eine Variante kommen wird, die zu deutlich schwereren Verläufen führt. Aber das ist Spekulation. Man muss einfach schauen, was kommt.

Sie waren selbst als Leiter der beiden Restart-Projekte aktiv, zu denen ein Arena-Konzert mit Tim Bendzko in Leipzig gehörte. Braucht es weitere Forschungsprojekte, um Corona noch besser zu verstehen?

Ja, braucht es, weil Corona uns den Fingerzeig gegeben hat, dass wir Wissenslücken auf diesem Gebiet haben. Eines ist klar: Das ist nicht die letzte Pandemie, die uns treffen wird. Die WHO warnt seit Jahrzehnten vor einer Pandemie mit einem Atemwegserreger, einem Virus. Das steht seit Jahren ganz oben in den zehn größten Gefährdungen der Menschheit. Jetzt ist es unsere Aufgabe, Wissenslücken zu schließen. Es gibt Projekte, auch vom Land unterstützt, wo wir als Universitätsmedizin mitwirken, um uns auf künftige Pandemien vorzubereiten und Daten zu erheben. Auch die Restart-Projekte gehen in die dritte Runde.

Das Eine sind die Krankenhäuser, die sich auf Corona eingestellt haben. Doch was kann die Bevölkerung tun, um mit dem Virus zu leben?

Zumindest schützt einen die Impfung nach wie vor sehr zuverlässig vor einem schweren Verlauf. Zum Zweiten habe ich es selber in der Hand, eine Maske aufzusetzen. Ich glaube, alle haben in den letzten zweieinhalb Jahren gelernt, in welchen Situationen das sinnvoll ist. Masken sind das beste Instrument, das wir im Moment haben. Wir gehen am Uni-Klinikum damit auch zu unseren Corona-Patienten.

Haben Sie sich schon mit Corona infiziert?

Ja, mich hat es erwischt. Ich bin gut geschützt, aber habe zwei kleine Kinder.