Uni Halle und Leipzig Uni Halle (Saale) und Leipzig: Statt Abschluss nur hohe Rechnung für chinesische Studenten

Leipzig/Halle (Saale) - Qing Li (Name von der Redaktion geändert) war voller Erwartungen, als sie 2014 in Deutschland ankam - mit einem Bachelorabschluss in der Tasche und motiviert, ihr Deutsch zu verbessern und einen Master in Deutscher Sprache und Literatur an der Universität Leipzig abzuschließen. Doch dann lief für die junge Chinesin einiges anders als erwartet: Zuerst war im Sprachkurs kein Platz frei, und einige Monate später hatte die 25-Jährige eine Absage von der Uni auf dem Tisch - sie wurde nicht fürs Masterstudium zugelassen. Dass der Start so schwer sein würde, das hatte sie nicht erwartet. Heute studiert die junge Frau ihr Wunschfach - in Halle. „Halle ist schon okay“, so die Chinesin, „aber Leipzig wäre mir lieber gewesen.“
Agentur in China kooperiert mit Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH in Leipzig
Hoffnungen hatte ihr zuvor eine Agentur in China gemacht, die Auslandsaufenthalte vermittelt. In Deutschland kooperiert die Agentur mit der Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH in Leipzig. Das Unternehmen bietet in Zusammenarbeit mit vier Universitäten in Mitteldeutschland ein Programm an, das chinesische Studierende auf das Studium in Deutschland vorbereiten soll. Die Uni Leipzig koordiniert das Programm, die Universität Halle nimmt seit 2013 daran teil, ebenso wie die Bauhaus-Universität Weimar und die TU Bergakademie Freiberg.
Würde sich Qing Li noch einmal für das Austausch-Programm entscheiden? „Nein, einmal reicht“, betont sie. „In China hat man mir versprochen, dass ich einen Master machen kann, entweder in meinem Fach oder einem anderen, ähnlichen Fach“, erzählt Qing Li. „Was man mir jedoch nicht gesagt hat, ist, dass ich im schlimmsten Fall von allen Masterstudiengängen in meinem Fachbereich abgelehnt werden könnte und somit keine Möglichkeit hätte, mein Studium weiterzuführen.“
Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH: Werden Teilnehmern falsche Versprechungen gemacht?
Schlimm erging es zwei Freunden von Qing Li, die einen Master in Soziologie machen wollten, aber nur in einen Bachelorstudiengang aufgenommen werden sollten. „Sie sind wieder nach Hause geflogen“, erzählt Qing Li. Offenbar sind das keine Einzelfälle: Wer bei den Teilnehmern nachfragt, hört oft, dass sie für ein Masterstudium nach Deutschland gekommen seien, jetzt aber in einem Bachelorstudiengang eingeschrieben sind.
Werden den Teilnehmern also falsche Versprechungen gemacht? Die Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH streitet das ab. „Alle Teilnehmer werden durch verschiedene Kanäle über die Aufnahmebedingungen des Masterstudiums informiert“, sagt Qixiong Liu, einer der Geschäftsführer. Die Koordinatoren vom Akademischen Auslandsamt der Uni Leipzig stimmen zu: „Über die Öffentlichkeitsarbeit der Agenturen in China sind wir informiert, und wir erstellen auch gemeinsam das Werbematerial, das dort verwendet wird“, sagt Ann-Christine Niepelt, Koordinatorin des Sonderprogramms. „Was die Agenturen den Studierenden in persönlichen Gesprächen versprechen, können wir aber natürlich nicht überprüfen“, ergänzt der Leiter des Akademischen Auslandsamts, Svend Poller.
Teilnehmer zahlen rund 10.000 Euro für das Programm
Die Enttäuschungen über geplatzte Studienträume sind das eine - eine andere Sache ist das Geld. Insgesamt haben die Teilnehmer rund 10.000 Euro für das Programm bezahlt - ohne Flugkosten, Wohnheim-Miete und Semesterbeiträge. Dass das Studium nicht günstig würde, wussten alle. Doch bei einem Teil des Geldes ist unklar, wofür es bezahlt werden musste - und an wen. „Egal wie man es dreht: die Gebühren stehen in keinem Verhältnis zur Leistung“, sagt Qing Li.
Da ist zunächst eine Verwaltungsgebühr von 1 400 Euro, die sich die vier Unis teilen. Ein Teil geht immer an die Uni Leipzig für die Koordination des Programmes; die Uni Halle erhält 800 Euro pro Student. „Das ist ziemlich viel Geld“, sagt Thomas Böhm, Referatsleiter Ausländerstudium in der Hochschulrektorenkonferenz. Und dann fügt er hinzu: „Wenn die Uni Zusatzleistungen wie Sprachkurse oder Unterbringung im Wohnheim anbietet, kann das durchaus etwas mehr kosten.“ Im Fall der Teilnehmer kosten Sprachkurse und Wohnheimplatz jedoch extra – das Akademische Auslandsamt benötigt die Gebühr nach eigenen Angaben für Leistungen wie die Programmkoordination, Öffentlichkeitsarbeit, Administration und Betreuung der Teilnehmer. Bedenkt man, dass seit dem Start des Programms 1999 etwa 1 200 Chinesen die Gebühr entrichtet haben, ist damit schon mehr als eine Million Euro eingenommen worden.
Chinesische Studenten in Mitteldeutschland: Geld landet auf Privatkonto in China
Neben der Verwaltungsgebühr müssen die Teilnehmer noch eine andere Summe überweisen - 2.200 Euro sind es, die auf den Quittungen als „Auslandsgebühr“ auftauchen. Das Geld geht weder an die Universitäten noch an die Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH. Ein Teil der Studierenden hat die Gebühr an die chinesischen Agenturen überwiesen, über die sie nach Deutschland kamen. Bei Ye Wang (Name von der Redaktion geändert) und einer anderen Teilnehmerin hingegen ging das Geld auf ein privates chinesisches Konto, das einem gewissen Guoqing Wu gehört.
Sein Name taucht auf einer Teilnehmerliste der China Education Expo 2011 auf, einer Bildungsmesse in China, die über die Möglichkeiten eines Auslandsstudiums informiert. Dort hat er mit Qixiong Liu, einem der Geschäftsführer der Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH, die Uni Leipzig vertreten. Eine Nachfrage beim Akademischen Auslandsamt ergibt, dass es sich bei Guoqing Wu um einen Mitarbeiter der Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH handelt. Auf Nachfrage bei Qixiong Liu von der Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH heißt es hingegen: „Herr Guoqing Wu ist Vertreter einer chinesischen Agentur, die das Panda Programm betreut.“
Für welche Leisatungen bekommt Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH Geld?
Ebenfalls unklar ist, wofür diese „Auslandsgebühr“ fällig wird. Über die Leistungen, die die chinesischen Agenturen für die Teilnehmer in China erbringen, gibt es einen Vertrag. Doch einen Vertrag, in dem die Leistungen in Deutschland festgehalten sind, habe es nicht gegeben, sagen Qing Li und Ye Wang – weder mit der Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH, noch mit den Agenturen. Kurios: Die Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH erbringt vor Ort in Leipzig offenbar Leistungen für die Teilnehmer, nimmt dafür jedoch kein Geld – stattdessen lassen sich die Agenturen in China eine „Auslandsgebühr“ überweisen. Ye Wang ist darüber nicht verwundert: „Ich vermute, dass die Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH die Auslandsgebühr verschleiert, weil sie diese ansonsten versteuern müsste.“ Belege hat er dafür allerdings nicht.
Wer mit Teilnehmern spricht, hört immer dasselbe: Die Firma habe sie vom Flughafen abgeholt, einen Wohnheim-Platz reserviert und anfangs bei organisatorischen Dingen geholfen. Haben Qing Li und Ye Wang dafür 2.200 Euro bezahlt?
Auf wiederholte Nachfrage nennt die Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH die gleichen Leistungen wie die Studenten. Geschäftsführer Qixiong Liu zählt auch noch weitere kleine Leistungen auf, bestreitet aber, dass es die Auslandsgebühr überhaupt gibt: „Es gibt nur eine Agenturgebühr, die je nach Region sowie Beratungs- und Serviceangebot variiert.“ Und weiter: „Über die Vertragsinhalte zwischen den chinesischen Agenturen und den Studienbewerbern haben wir keine Kenntnisse.“ Ye Wang und seine Kommilitonen haben neben der Agenturgebühr für Leistungen in China aber sehr wohl eine Auslandsgebühr bezahlt - und Quittungen, die dies bezeugen.
Akademisches Auslandsamt in Leipzig: „Uns gegenüber hat in den Beratungsgesprächen bislang niemand Kritik geäußert“
Das Akademische Auslandsamt in Leipzig äußerte sich vor einigen Wochen noch zurückhaltend zu der Kritik an dem Programm. „Uns gegenüber hat in den Beratungsgesprächen bislang niemand Kritik geäußert.“ Dies könnte auch an der chinesischen Kultur liegen. „Wir Chinesen sind nicht so mutig“, sagt Ye Wang. „Wir haben Angst, unser Studium zu gefährden, wenn wir das Programm kritisieren.“
Inzwischen wird das umstrittene Programm von der Uni in Leipzig aber überprüft und evaluiert. „Wir bedauern, dass einige Teilnehmer negative Erfahrungen gemacht haben und nehmen deren Kritik sehr ernst“, sagte Uni-Sprecher Carsten Heckmann. Daher seien Gespräche bereits mit der Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH und den Agenturen in China geführt worden. Dabei seien „Probleme mit der Beratung der Agenturen in China deutlich geworden“. Parallel sei eine Befragung von Programm-Teilnehmern angelaufen.
„Die Agenturen haben versichert, dass sie, wie auch in ihren staatlich vorgeschriebenen Verträgen vorgesehen, keine Studienplätze versprechen“, sagt Heckmann. Und auf der Internetseite des Akademischen Auslandsamtes sind nun mehr Informationen zum Programm einsehbar, die Kosten des Programmes besser aufgeschlüsselt. Der Betrag der dubiosen „Auslandsgebühr“ taucht jedoch weiter nicht auf. (mz)
In einer früheren Version des Artikels wurde das deutsche Unternehmen, das mit Agenturen in China kooperiert, als Panda GmbH bezeichnet. Das ist falsch, das Unternehmen heißt Panda Wirtschafts- und Kulturaustausch GmbH. Die Panda GmbH aus Mering hat mit dem Thema nichts zu tun. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.