Uni-Archiv in Halle Uni-Archiv in Halle: Vier Kilometer Wissen

Halle (Saale) - Ein Umzug in eine neue Wohnung ist eine aufwändige Sache. Um wie viel mehr aber muss sortiert und gepackt, geräumt und und beschriftet werden, wenn das komplette Archiv der Universität an einen neuen Standort verlegt wird? Michael Ruprecht weiß es. Schließlich ist er mitsamt dem Bestand des Archivs von der Pfännerhöhe mitten in die Innenstadt gezogen - ein immenser Kraftakt.
Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hat der Universitätsarchivar vor mehr als einem Jahr begonnen, das gesamte Archivgut noch einmal gründlich zu sortieren. „Wir haben jede Akte in die Hand genommen“, sagt Ruprecht mit Blick zurück ins vergangene Jahr. Alle Unterlagen mussten gesichtet und geordnet werden. „Chaos ist das Schlimmste für ein Archiv“, meint Ruprecht - und er weiß, wovon er spricht.
Tausende und Abertausende Dokumente, Papiere, Urkunden, Pläne und Fotos
Tausende und Abertausende Dokumente, Papiere, Urkunden, Pläne und Fotos mussten erfasst, wertvolle Gemälde transportsicher verpackt werden. Insgesamt über vier Kilometer geballtes Wissen wurde anschließend auf Paletten verladen und am neuen Ort - in der ehemaligen Bibliothek und Druckerei in der Dachritzstraße - wieder einsortiert.
Hier nun bieten sich im Gegensatz zum alten Standort ideale Bedingungen für die wissenschaftliche Arbeit: Helle Räume für das Lesen, abgedunkelte für die Aufbewahrung der unzähligen, nummerierten Kartons, in denen Urkunden, Dokumente und andere Akten lagern. Insgesamt 18.000 Quadratmeter stehen jetzt für Regalreihen, Tresore und anderes zur Verfügung. Das entspricht einer Magazinfläche von 5,8 Kilometern - zwei Kilometer sind also Reserve. Auch ein Forschungssaal für die Nutzerinnen und Nutzer der Archivbestände ist entstanden.
Generalinventur hat auch einige Überraschungen zutage gefördert
Nicht nur Wissenschaftlern, auch Laien, also interessierten Bürgern, steht das Archiv für Recherchen zur Verfügung. „Wir als Universität sind verpflichtet, das Archiv für die Öffentlichkeit vorzuhalten“, so der Archivar. Jeder könne dort arbeiten - eine Anmeldung und die Nennung des Themas würden genügen.
Die für den Umzug notwendige Generalinventur indes hat auch einige Überraschungen zutage gefördert. Denn in jedem Archiv schlummern seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Schätze, von denen man teilweise gar nicht mehr wusste, dass es sie gibt. „Immerhin wird im halleschen Uni-Archiv seit weit mehr als 200 Jahren gesammelt und archiviert“, so Ruprecht.
Universitätsarchiv besitzt sehr umfangreiche und zum Teil sehr wertvolle Bestände
Das Universitätsarchiv, das im Laufe der Zeit an verschiedenen Standorten - darunter am Universitätsplatz, am Weidenplan und dann 20 Jahre lang in der Pfännerhöhe - ansässig war, besitzt sehr umfangreiche und zum Teil sehr wertvolle Bestände, die bis ins Mittelalter und die Wittenberger Zeit zurückreichen. Ein ganz außergewöhnlicher Fund, der auch Michael Ruprecht überrascht hat, waren Führungszeugnisse von Studienbewerbern aus den Jahren 1780 und 1790.
„Sogar das von Clemens Brentano war darunter“, staunte der Archivleiter. Auch die Akten aller, die jemals an der hiesigen Alma Mater studiert oder gelehrt haben, lagern im Archiv. Dazu gehören Studentenakten, die bis ins Jahr 1880 zurückreichen, sämtliche Prüfungsunterlagen und Zeugnisse. Denn, so der Hüter des Archivs, „wie soll jemand seinen Universitätsabschluss nachweisen, wenn das Original verschwunden ist?“
Manchmal werden auch Dinge aus dem Archiv vermisst
Apropos verschwunden: Manchmal werden auch Dinge aus dem Archiv vermisst. „Früher nahmen Professoren gern mal eine Akte zu Forschungszwecken mit nach Hause. Heute verlässt kein Dokument mehr das Archiv“, so Ruprecht. Die Bestände werden auch nicht digitalisiert, auch wenn im Repro-Raum ein riesiger Aufsicht-Scanner steht. Im Archiv wird grundsätzlich mit echten Dokumenten gearbeitet. Schließlich soll der Bestand noch die nächsten Jahrhunderte überdauern. Bei elektronisch gespeicherten Medien wäre dies nicht gegeben, denn wer weiß schon, welche welche Datenträger dann noch lesbar sind.
Eröffnet wird das Archiv nach Fertigstellung am 19. Juni - in der Festwoche zur 200. Wiederkehr der Vereinigung der Universitäten Halle und Wittenberg. (mz)

