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Umbau am Steintor in Halle Umbau am Steintor in Halle: "Hier kommt kein Kunde heran"

Von Michael Tempel 11.08.2015, 19:32
Über die Baustelle Steintorkreuzung zu kommen, ist für Passanten und Radfahrer beschwerlich. Zum Shoppen lädt das kaum ein.
Über die Baustelle Steintorkreuzung zu kommen, ist für Passanten und Radfahrer beschwerlich. Zum Shoppen lädt das kaum ein. Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Michael Raue macht sich keine Illusionen: „Hier kommt kein Kunde heran. Anlieferungen sind auch nicht möglich. Und dann sollen noch der Fußweg vor dem Geschäft aufgerissen und die Versorgungsleitungen erneuert werden. Das geht gar nicht.“ Der 66-jährige Blumenhändler von der Steintorkreuzung in Halle ist einer von rund 30 Ladenbetreibern, die vom aktuellen Umbau des Verkehrsknotens betroffen sind. Seit 20. Juli laufen die Arbeiten zu diesem städtischen Großprojekt. Um Verlusten vorzubeugen, hat Raue sein Geschäft gleich dichtgemacht. Und er ist nicht der Einzige: Fünf weitere Geschäfte - darunter ein Goldhandel, ein Juweliergeschäft und ein Musik- und Instrumentenladen - sind ebenfalls zu. Macht die Stadt mit ihrem Projekt den örtlichen Handel kaputt?

Seit 80 Jahren präsent

Raue, dessen Familiengeschäft seit fast 80 Jahren am Steintor ansässig gewesen ist, will nach dem Umbau sowie nach der Sanierung des Hauses, in dem sein Laden untergebracht ist, zurückkommen. Bis dahin verkauft Raue in seiner Filiale in der Geiststraße weiter Blumen. Auch auf Infozetteln an Schaufenstern des Goldhandels, des Juweliergeschäfts und des Musikladens ist von vorübergehender Schließung die Rede. Im Gegensatz dazu betreibt der 51-jährige Humayoun Kestel sein Pizza- und Döner-Bistro „Sundarban“ weiter. Mit schmerzlichen Folgen, wie er sagt: „Seit dem Baubeginn habe ich 50 Prozent Umsatzeinbußen. Einen Mitarbeiter musste ich bereits entlassen.“ Hinzu kämen Staub und Lärm. Er rechne mit 2.000 Euro Verlust jeden Monat. Bis zum Bauabschluss Ende 2015 glaubt er, die Durststrecke mit privaten Rücklagen überwinden zu können. „Wenn es aber Verzögerungen geben sollte, dann wird es ganz eng“, sagt Kestel, der aus Bangladesch stammt. Er fühlt sich mit seinen Problemen von der Stadt und vom Nahverkehrsbetrieb Havag, der die Bauarbeiten koordiniert, im Stich gelassen.

Der Umbau der Steintorkreuzung, der zu einem Großteil im Dezember fertig sein soll, ist das dritte Projekt im Rahmen des Stadtbahn-Programms. Für rund 20 Millionen Euro sollen Straßen, Straßenbahngleise sowie Ver- und Entsorgungsleitungen erneuert werden. Nach dem Umbau werden der Auto- und der Straßenbahnverkehr übersichtlicher über den Knoten geleitet. Der Steintor-Vorplatz, der bisher nicht zum Verweilen einlud, wird zur Fußgängerzone.

Nach Darstellung der Chefin der Abteilung Wirtschaftsförderung im Rathaus, Petra Sachse, stünden Verwaltung und Havag „in engem Kontakt“ mit den Händlern. Suche nach Ausweich-Gewerberäumen, Vermittlung von Gesprächen mit Vermietern zur Mietminderung, Beratung zu Kurzarbeit und zu Lohnzuschüssen für Angestellte, Sicherstellung des Lieferverkehrs - zu all dem stehe man den Händlern zur Seite, so Sachse. Haupt-Anlaufpunkt für Gewerbetreibende und Anwohner sei das an der Ecke Kromayer-Straße eingerichtete Baubüro. Eine zeitliche Verkürzung des Umbaus sei indes nicht möglich. „An der Baustelle wird in zwei Schichten, montags bis samstags von 7 bis 20 Uhr, gearbeitet“, so Sachse. Eine Ausweitung sei gesetzlich nicht zulässig.

Leere Läden in der Großen Uli

Stadt und Havag verweisen in dem Zusammenhang auch auf den engen „Dialog“ mit den Händlern in der Großen Ulrichstraße, als diese 2013 ebenfalls im Zuge des Stadtbahn-Programms erneuert worden war. Ladenbetreiber mussten damals dort damit leben, dass die Kundenströme über Monate versiegten. Trotz Hilfsangeboten. Dass heute elf von mehr als 40 Geschäften in der Großen Uli leer stehen, hängt laut einiger Händler mit der Umsetzung der Bauarbeiten zusammen.

Im Baubüro am Steintor ist dienstags 15 bis 17 Uhr und donnerstags 8 bis 10 Uhr Sprechzeit. Sonst erreicht man telefonisch und per E-Mail Ansprechpartner: 0345/2 21 47 77; [email protected]

Vorboten der künftigen Steintorkreuzung: neue Gleise
Vorboten der künftigen Steintorkreuzung: neue Gleise
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