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Bei Messer-Angriff schwer verletzt Überfall Messer Halle: "Wenige Zentimeter weiter dann wäre ich vielleicht verblutet"

Von Dirk Skrzypczak 13.12.2018, 08:20
In Halle hat es in diesem Jahr schon mehrere Messerattacken gegeben, bei denen die Opfer schwer verletzt wurden. Butterflymesser, wie dieses auf dem Foto, sind in Deutschland verboten. Dennoch lässt sich so ein Modell leicht kaufen - über das Internet beispielsweise.
In Halle hat es in diesem Jahr schon mehrere Messerattacken gegeben, bei denen die Opfer schwer verletzt wurden. Butterflymesser, wie dieses auf dem Foto, sind in Deutschland verboten. Dennoch lässt sich so ein Modell leicht kaufen - über das Internet beispielsweise. dpa

Halle (Saale) - Vincent K. beißt beim Laufen auf die Zähne. Das verletzte Bein schmerzt. „Es geht schon“, sagt der 16-jährige Schüler aus Halle. Sitzen ist für ihn eine Qual, der Arzt hat ihn krankgeschrieben.

Am Samstagabend gegen 18 Uhr war Vincent am Rande des Weihnachtsmarkts von einem 18-Jährigen in der Leipziger Straße angegriffen, geschlagen und mit vier Messerstichen in den Oberschenkel verletzt worden.

Den Täter, der laut Polizei in Deutschland geboren wurde, kannte der Schüler zuvor nicht, dafür aber seine Begleitung: ein zwölfjähriges Mädchen, das er nach eigenen Worten erst kürzlich zurückgewiesen hatte.

„Beide waren an dem Abend gemeinsam unterwegs, als er auf mich losging. Ein Zufall war das nicht“, schildert Vincent, der großes Glück hatte, wie die Ärzte ihm sagten: „Nur wenige Zentimeter weiter und die Klinge hätte eine Hauptader getroffen. Dann wäre ich vielleicht verblutet“, erzählt er. Der Täter, den die Polizei gefasst hatte, ist wieder frei.

Angriff vor Schule in Halle: Frau ringt um ihr Leben

Angriffe wie diese sorgen aufgrund ihrer Brutalität für Unruhe und auch Angst in Halle. Am 13. November hatte ein 40 Jahre alter Syrer vor der Diesterweg-Grundschule seine Ex-Partnerin niedergestochen und schwer verletzt. Nach MZ-Informationen konnte die Mutter von drei Kindern bislang nicht von der Polizei befragt werden. Ärzte kämpfen noch immer um das Leben der 31-Jährigen.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Anfang November hatten sich 30 Personen syrischer Herkunft vor einer Shisha-Bar in der Neustadt eine Massenschlägerei geliefert, bei der auch Messer gezückt wurden. Mehrere Verletzte mussten danach medizinisch versorgt werden. Beim Laternenfest wurde ein Gast ins Gesäß gestochen. Und Anfang Juli stachen mehrere Täter an der ehemaligen Eissporthalle auf drei 18-Jährige ein und fügten ihnen Stich- und Schnittverletzungen zu. Haben Messerattacken in Halle zugenommen? Und was sind die Ursachen?

Polizei: „Eine Auswertung der Straftaten, die mit einem Messer begangen werden, ist nicht abschließend möglich“

Der Polizei fällt eine Einschätzung schwer, wie Sprecher Ralf Karlstedt erklärt. „Eine Auswertung der Straftaten, die mit einem Messer begangen werden, ist nicht abschließend möglich“, sagt er. Der Grund: Messerattacken werden statistisch nicht separat erfasst. Und deshalb, so Karlstedt, könne man beispielsweise auch zur Nationalität der Täter keine belegbaren Aussagen treffen. Doch es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die Messerangriffe generell ein ernstes Problem darstellen. Nicht nur in Halle. Auch in Sachsen-Anhalt.

Nach einer „Kleinen Anfrage“ des SPD-Innenexperten Rüdiger Erben im April dieses Jahres hatte das Innenministerium die Polizeistatistiken für Sachsen-Anhalt der vergangenen fünf Jahre gezielt nach Messern als Tatwaffen durchforsten lassen. Ergebnis: 724 Fälle wurden für 2017 landesweit ermittelt, deutlich mehr als etwa für 2013, aber etwas weniger als 2016.

Überfall in Halle: Tatwaffe soll im Internet nach der Tat zum Kauf angeboten worden sein

Kehrt sich der Trend wieder um? Noch ist die Antwort offen. „Messerattacken führen aufgrund ihrer Schwere zu großer Sorge und Beunruhigung in der Bevölkerung“, so Erben. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob die Angriffe auch messbar zugenommen hätten. Offenbar haben die Innenminister der Länder ebenfalls die Notwendigkeit erkannt, die Analysen zu präzisieren. Derzeit wird für die Bundesrepublik eine Regelung zur statistischen Erfassung von Messerangriffen erarbeitet.

Mit welchem Messertyp Vincent K. am Samstag auf dem Boulevard angegriffen wurde, ist unklar. Die Tatwaffe ist verschwunden, soll aber im Internet nach der Tat zum Kauf angeboten worden sein, wie das Opfer berichtet. Butterfly, Fall-, Faust- und Springmesser sind laut Waffengesetz verboten. Allerdings ist es laut Polizei kein Problem, sich derartige Waffen zu besorgen - ganz bequem über das Internet oder im Ausland. „Eine Legitimation, beispielsweise zum Alter des Käufers, ist oft nicht erforderlich“, sagt Karlstedt. Vincent will unterdessen der Angst trotzen. „Ich gehe trotzdem weiter raus“, sagt der Hallenser. Seit dem Vorfall werde er über soziale Netzwerke zudem bedroht. Auch damit befasst sich die Polizei. (mz)