Töchter setzen Tradition fort
Halle/MZ. - Die wurde vom Magistrat noch mit einem Metall-Stempel besiegelt. Doch der sollte bald ausgedient haben; der Stempel mit Gummiplatte setzte sich immer mehr durch - dank Alfred Pfautsch. Das Gründungsdokument wird von seinen Nachkommen deshalb sorgsam gehütet, dieser Tage feiern sie das 125-jährige Firmen-Bestehen.
Das Unternehmen ist ein Familienbetrieb geblieben. Nachdem sich Helmut, der 72 Jahre alte Enkel des Firmengründers, mit seiner Frau Christa in den Ruhestand begeben hat und nur noch ab und an aushilft, arbeitet nun die vierte Generation - Astrid Pfautsch-Alter als Chefin und Schwester Stefanie Messner, die sich um Buchhaltung und Verkauf kümmert sowie die beiden Schwiegersöhne.
Während sich ihre Eltern vor Aufträgen nicht retten konnten - in der DDR wartete man bis zu neun Monaten auf Stempel -, muss Astrid Pfautsch-Alter um Kunden werben. "Wenn die es wünschen, fertigen wir Stempel innerhalb einer Stunde an", erzählt sie. Schon allein daran lässt sich ablesen, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Vater Helmut kann das wohl am besten beurteilen. Er war zu DDR-Zeiten der einzige Stempelhersteller im südlichen Sachsen-Anhalt, heute gibt es mehrere. Noch gut ist ihm in Erinnerung, wie er das Holz für die Stempelkörper zugeteilt bekam: "Es reichte nie." Zudem seien Setzmaschinen und Vulkanisierpressen uralt gewesen, weil es keine neuen gab.
Sind Stempel im Computer-Zeitalter noch modern? "Die haben schon noch ihre Berechtigung", erzählt die Chefin. Schließlich mache erst der runde oder eckige Aufdruck aus einem amtlichen Schreiben eine Urkunde. "Zudem kommen weder Betriebe noch Ärzte ohne die traditionellen Hilfsmittel aus."
Und die werden im Prinzip noch wie vor 100 Jahren hergestellt, auch wenn es längst modernere Modelle mit eigenem Stempelkissen gibt. Die Schriftplatten bestehen allerdings kaum noch aus Gummi, sondern aus einer Harzmasse, die mit einem Laserstrahl bearbeitet wird.
Dass seine Töchter die Tradition fortsetzen und die Schwiegersöhne mitziehen - der eine macht das Kaufmännische, der andere ist Graveur - freut Senior Helmut Pfautsch ebenso wie die neue Technik, die Einzug gehalten hat. Nach wie vor legt die Familie Wert auf Qualität und Service. Doch allein von der Stempelproduktion könnte sie nicht leben. Pokale, Geschenkartikel, Visitenkarten, Briefbögen und Schilder gehören deshalb zum Angebot der Firma mit Sitz in der Talamtstraße. Ganz in der Nähe, im Händelhaus, hatte der Firmengründer seine erste Werkstatt, ehe die Rudolf-Breitscheid-Straße 93 viele Jahre lang Domizil war.
Gefeiert wurde in Familie und mit den zehn derzeitigen sowie mit früheren Mitarbeitern. Der Kurs auf den 150. Geburtstag ist eingeschlagen. Schließlich ist schon die fünfte Generation da. "Momentan wollen meine Töchter, acht und zehn Jahre alt, nur eines werden - ein Stempel-Pfautsch", erzählt die Chefin stolz.