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Textil- und Gobelinmanufaktur Textil- und Gobelinmanufaktur: Sachsens Glanz kommt aus Halle

Von MICHAEL FALGOWSKI 24.07.2014, 06:09
Auch dieser 3,40 Meter lange, aufwendig nachgewebte Goldbrokat für das Dresdner Schloss wurde in der Textilmanufaktur Halle bearbeitet.
Auch dieser 3,40 Meter lange, aufwendig nachgewebte Goldbrokat für das Dresdner Schloss wurde in der Textilmanufaktur Halle bearbeitet. Thomas Meinicke Lizenz

HALLE (Sachsen)/MZ - Seide zu Gold spinnen. Das haben die Weber von Luxusstoffen vor 300 Jahren beherrscht: Einen nur 0,007 Millimeter starken, gewalzten vergoldeten Silberfaden haben sie um eine „Seidenseele“ gewickelt und zu einem glänzenden Goldbrokat verwoben. So viel Gold! Nichts war gut genug für die Paradezimmer, die August der Starke in seinem weltberühmten Residenzschloss hat einrichten lassen. 1719 war das, anlässlich des Einzugs seiner Schwiegertochter, der Erzherzogin von Österreich, in Dresden. Insgesamt drei Kilogramm Gold zierten die schillernden Textilien, das Bett eingeschlossen. „Künstler wurden die Weber und Sticker dieser Luxustextilien damals genannt. Nicht Handwerker“, sagt Sabine Schneider. Die Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin aus Leipzig begleitet seit Jahren die Rekonstruktion der Paradetextilien des Dresdner Schlosses.

Nach dem Original gearbeitet

Bei der fadengenauen Rekonstruktion dieser Paradetextilien sind die alten Fertigkeiten wieder gefragt. Im zweiten Geschoss des Residenzschlosses soll der beinahe barocke textile Prunk Augusts wieder hergestellt und damit das politische Herz des Schlosses wieder erlebbar werden. Dabei hat hallesche Kunsthandwerkerschaft bereits jetzt Sachsen zu neuem Glanz verholfen. Für die ersten Muster der berühmten Paradetextilien wurden in der ehemaligen Staatlichen Textil- und Gobelinmanufaktur Halle schon rund 15 bis 18 laufende Meter dieser Goldbrokate in Halle bestickt und bearbeitet. Der erste Teil der Rekonstruktion des Schlafzimmers des Sachsen-Sonnenkönigs wurde dabei bereits in einer Ausstellung gezeigt.

Museen und private Sammlung wenden sich an die Spezialisten der Textil- und Gobelinmanufaktur in Halle. Der kleine Betrieb hat sich zur ersten Adresse in Deutschland für die Restaurierung alter Teppiche und Tapisserien entwickelt. Die Manufaktur hat das Personal und die Fläche, um auch große Bildteppiche zu restaurieren.

1946 mit der Einstellung einer Weberin der damaligen Handwerkerschule Burg Giebichenstein als Privatbetrieb gegründet, war die Manufaktur eng mit der Burg verbunden. 1956 wurde dort durch den Maler Willi Sitte eine Textilklasse und Teppichmanufaktur aufgebaut. 1966 begann die Produktion von Gobelins, in diesem Jahr wurde die Teppichmanufaktur Burgbetrieb. Nach 1990 wurde das Unternehmen Landeseigentum und hieß seit 1992 Staatliche Textil- und Gobelinmanufaktur Halle GmbH, Burg Giebichenstein.  

In Halle wurde auf den handgewebten exklusiven Goldbrokat ebenfalls von Hand in Frankreich hergestellter karmesinroter Seidensamt appliziert. „Dazu wurde nach den technologischen Beschreibungen des 18. Jahrhunderts gearbeitet. Dazu sind nur ganz wenige Werkstätten in der Lage“, betont Kunsthistorikern Schneider. „Eine hervorragende Arbeit.“

Das Lob gilt vor allem Meister-Stickerin Ilona Fitzner von der Textilmanufaktur. „An einem original erhaltenen Bettknopf des Paradebettes haben wir uns zunächst angeschaut, wie vor 300 Jahren gearbeitet wurde. Das wusste ja niemand“, beschreibt Fitzner. Der angelieferte nachgewebte Seidensamt wurde mit Kartoffelstärkekleber auf den Goldbrokat geklebt und alle Elemente mit einer Goldkonturschnur umstickt. Es war eine Puzzlearbeit. Der bei Paris handgewebte Seidensamt war sehr wertvoll: Der Weber schafft nur 30 Zentimeter am Tag. Ein halber Quadratmeter kostete rund 2 000 Euro.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie mehr zur Gobelinmanufaktur und zum Studiengang in Halle.

Im Jahr 2019 sollen die Paraderäume fertiggestellt sein, 300 Jahre nach ihrer Entstehung, 74 Jahre nach ihrer Zerstörung durch Bombentreffer auf das Schloss mit dem Grünen Gewölbe. Die aufwendigen Silberstoffe und Seidensamte werden bereits in französischen und italienischen Werkstätten originalgetreu nachgestaltet. Man braucht Vorlauf: Rund 200 Meter Stoffbahnen werden insgesamt gebraucht.

Nach der erfolgreichen Premiere hofft die hallesche Textilmanufaktur nun auf weitere Aufträge aus dem Schloss. „Die Aussichten sind auch nicht schlecht“, sagt Wolfgang Stockert. Der Kanzler der Kunsthochschule Burg Giebichenstein bremst aber die Euphorie. Zunächst müsse man sich an einer Ausschreibung beteiligen.

Der Auftrag aus Sachsen wäre auch Teil der Perspektive für die bekannte ehemalige Staatliche Textil- und Gobelinmanufaktur Halle. Denn Ende 2012 hatte die Landesregierung beschlossen, die Manufaktur zu liquidieren. Laut Finanzstaatssekretär Jörg Felgner (SPD) hat die staatlich geführte Manufaktur bereits seit 1993 defizitär gearbeitet und 20 Jahre lang jährlich 150 000 bis 200 000 Euro vom Land erhalten. Das Land machte trotzdem weiter, es war vor allem an der Fortführung der Ausbildung von rund 100 Studenten der Kunsthochschule in den Fächern Textildruck, Textilkunst und Modedesign interessiert.

Das ist nun unter dem Dach der einzigen Kunsthochschule Sachsen-Anhalts auch langfristig gesichert. Für 100 000 Euro wurden per Kauf- und Übereignungsvertrag die 25 Webstühle und das Anlagevermögen in die Hochschule mit ihren mehr als 1 000 Studenten integriert.

Wiederaufbau kostet 370 Millionen

Vor allem wurden sieben Mitarbeiter der ehemaligen Textilmanufaktur eingestellt. Damit ist einerseits die Ausbildung gesichert; und die Hochschule, die laut dem renommierten Red-Dot-Design-Ranking zu den zehn besten Design-Hochschulen in Amerika und Europa gehört, schärft weiter ihr Profil. „Die textile Kompetenz der Burg ist etwas einmaliges“, sagt Ulrich Reimkasten, Professor für Malerei/Textil. Und er sieht gute Zukunftsaussichten. Allein in Mitteldeutschland würden 2 000 Gobelins auf ihre Restaurierung warten.

Wie Kanzler Stockert sagt, prüfe man den Aufbau eines Masterstudiengangs zur Textil-Restaurierung an der halleschen Kunsthochschule. „Das gibt es in Deutschland noch nicht“. Für die Textilmanufaktur, die nun zur Burg gehört, wurde eigens ein moderner Werkstattbau auf dem Design-Campus der Burg errichtet. Die Manufaktur sei ein Alleinstellungsmerkmal, sagt Burg-Rektor Axel Müller-Schöll angesichts der Spardebatte. „Wir können nicht nur Sachen abwickeln, wir müssen die Dinge auch weiterentwickeln.“

Vorankommen wollen Bund und das Land Sachsen auch weiter in Dresden. 1985 hat der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Residenzschlosses begonnen. Er wird wohl 370 Millionen Euro kosten. In diesem Jahrzehnt wird der Aufbau wohl nicht mehr beendet. Auch nicht mit der Kunstfertigkeit aus Halle.

Tägliche Arbeit: In der Textilmanufaktur werden alte Wandteppiche wie dieser aus dem 18. Jahrhundert restauriert.
Tägliche Arbeit: In der Textilmanufaktur werden alte Wandteppiche wie dieser aus dem 18. Jahrhundert restauriert.
THOMAS MEINICKE Lizenz
Das Schloss Augusts des Starken
Das Schloss Augusts des Starken
Staatl. Kunstsammlungen Dresden / David Brandt Lizenz