Technik-Relikt aus der DDR Technik-Relikt aus der DDR: IT-Tüftler aus Halle bringen Robotron-Computer zum Laufen

Halle (Saale) - Vor einigen Wochen wurde das Kraftwerk Thierbach südlich von Leipzig gesprengt. Der 200 Meter lange und 60 Meter hohe Block, insgesamt 50.000 Tonnen Stahl und Beton, sackten zu einem Trümmerhaufen zusammen.
Das wahrscheinlich größte Teil, das vom Kraftwerk übrig bleibt, steht - in Halle. Es ist ein Computer: Der „Robotron K1630“ war das Herzstück des Rechenzentrums, ein 16 Bit-Rechner, Baujahr 1984.
1,5 Millionen DDR-Mark für einen Robotron-Computer
Das Gerät verfügt über die Ausmaße einer Schrankwand: 2,40 Meter lang, 1,8 Meter hoch und schlappe 1,2 Tonnen schwer. Jede der vier Festplatten wiegt rund 100 Kilogramm. Das „K“ des „K1630“ ist ein Standard für Robotron-Geräte. Es könnte aber auch für „Kleinrechner“ stehen, „weil er in ein Zimmer passte“, sagt lachend Sebastian Czech.
Der Ingenieur aus Halle gehört zu einer kleinen Gruppe enthusiastischer DDR-Computer-Fans. Vor mehr als zehn Jahren haben Rüdiger Kurth, Sebastian Czech, Ronny Kunze und andere von der „Digital AG“ die Überreste des Rechenzentrums aus dem damals bereits seit sieben Jahren stillgelegten Kraftwerk Thierbach geborgen. Und nicht nur das: Nach zehn Jahren Tüfteln und Basteln haben die Robotron-Technik-Freaks ihren K1630 tatsächlich wieder zum Laufen gebracht!
„Es existieren nur noch sechs andere. Aber keiner funktioniert mehr. Einer steht sogar in Saigon, in Vietnam. Ich habe mir ihn angeschaut, da stehen nur noch Grünpflanzen drauf“, sagt Sebastian Czech.
Dabei war der K1630 mal das Beste vom Besten. Czech schätzt, dass der Rechner rund 1,5 Millionen DDR-Mark gekostet hast.
Zehn Jahre Fehlersuche: Der Robotron läuft wieder
17 Jahre lang stand der Kraftwerksrechner still. Komponenten wie Festplatte, Terminal, Bandgerät waren massiv geschädigt beziehungsweise gar nicht mehr vorhanden.
Mehr als 20 Fehler wurden in einer schwierigen Suche in Jahren nach und nach lokalisiert und sehr kreativ behoben. Hauptproblem: Das Betriebssystem MOOS fehlte komplett, so dass man den Rechner nicht starten konnte, um die gespeicherten Anwenderprogramme neu laden zu können.
Erst im April vergangenen Jahres gelang es Rüdiger Kurth und seinen Mitstreitern, nach Tausenden Arbeitsstunden, den K1630 erstmals wieder hochzufahren.
Nun geben auch die Festplatten nach und nach ihre darauf gespeicherte Daten preis. „Die Betriebsdaten des Kraftwerks etwa wie die erzeugte Leistung oder Rauchmessewerte und ähnliches“, sagt Sebastian Czech.
Wenig überraschende Informationen also wurden gehoben. Immerhin, dies verraten die Daten, haben die Mitarbeiter im Kraftwerk-Rechenzentrum darauf Spiele gespielt.
Doch Sebastian Czech und den anderen geht es auch nicht um gelüftete Datengeheimnisse. Sondern nur um die Technik. „Das Betriebssystem MOOS des K1630 galt bisher als ausgestorben. Nun arbeitet es wieder. Und wir können studieren, wie es aufgebaut ist, wie es funktioniert. Technisch ist das absolut faszinierend.“ Inzwischen könne man auf dem K1630 auch Magnetbänder anderer Geräte abspielen.
Technik-Schätze im „Rechenwerk“-Museum
Diese DDR-Computer zu bewahren, das ist die wichtigste Motivation der Digital Arbeitsgemeinschaft in Halle. Deren technikbegeisterte Mitglieder retten seit Jahren Robotron-Computer vor dem Schrottplatz. In einem ehemaligen Getränkemarkt im Gewerbegebiet Halle-Ost betreibt die AG ihr 600 Quadratmeter großes „Rechenwerk“-Museum mit inzwischen Hunderten Geräten, vom kleinen Drucker bis zu Kraftwerksrechentechnik.
Die Fußbodenplatten des Ständerbodens, unter dem die zahllosen Kabel verlaufen können, wurden unter anderem in den Rechenzentren im Sprengstoffwerk Schönebeck, des Kernkraftwerkes Stendal und im Zeiss-Großplanetarium Berlin demontiert.
Mehr als die Hälfte aller Rechenwerk-Geräte funktionieren. Die älteste Maschine ist eine Addiermaschine von 1921, die mit Papierstreifen arbeitet der Astra Werken aus Chemnitz. Die neueste Technik ist ungefähr 20 Jahre alt, ein IBM RS6000.
„Ab den 1990er Jahren aber gibt es fast keine interessante Rechentechnik mehr! Interessant ist für mich, was es nicht in tausendfacher Ausfertigung gibt. Was eine eigene Philosophie oder ein eigenes Bedienkonzept hat“, sagt Sebastian Czech.
Auf die Roboton-Rechner treffe das alles zu, schon weil aus Mangel sehr viel neu entwickelt werden musste, auf ganz eigene Weise. Und vieles sei eine Insellösung gewesen. „Dafür aber sind sie technisch ziemlich weit gekommen!“ (mz)