1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Straßenbahn aus Halle: Straßenbahn aus Halle: Wer will eine Tatra kaufen?

Straßenbahn aus Halle Straßenbahn aus Halle: Wer will eine Tatra kaufen?

Von Oliver Müller-Lorey 31.05.2017, 11:58
Im Jahr 2000 waren Tatras in Halle noch regelmäßig im Einsatz.
Im Jahr 2000 waren Tatras in Halle noch regelmäßig im Einsatz. Archiv/Günter Bauer

Halle (Saale) - Großfamilien, Reisebüros und Kegelclubs aufgepasst! Vielleicht ist das passende Fahrzeug mit genügend Sitzplätzen für den nächsten Ausflug ja bei diesem Angebot dabei: 15 ausgediente Tatra-Straßenbahnen, die einst in Halle unterwegs waren, verkauft derzeit die Vebeg, eine - Achtung - bundeseigene Treuhandgesellschaft zur Veräußerung beweglicher Güter. Klingt kompliziert, und ist auch erst einmal zweitrangig.

Denn es geht ja um die Bahnen, die an den Mann gebracht werden sollen. Vorrangig natürlich nicht an den Privatmann, sondern an Verkehrsbetriebe im ehemaligen Ostblock. Denn fast nur dort sind Schienen verlegt, auf denen die Tatras mit ihrer geringen Spurbreite überhaupt fahren können. „Das sind Länder wie Kroatien, Ukraine, Russland, Serbien, Rumänien, Bulgarien aber auch Polen“, sagt Claus Richter, Leiter Verkauf bei der Vebeg.

Krieg in der Ukraine verhagelte dem Geschäftsmann den Deal

Die ist im Auftrag eines bulgarischen Geschäftsmanns, dem die Bahnen gehören, mit der Veräußerung beauftragt, verkauft die Tatras also nicht selbst. Sie gehören dem bulgarischen Geschäftsmann, der sie vor vier Jahren von der Havag gekauft hatte und sie gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Sein Plan war es, laut Richter, die Trams in die Ukraine zu verkaufen. „Aber in Krisenzeiten ist es schwierig, den Verkauf unter Dach und Fach zu bringen“, so Richter. Um es anders zu sagen: Der Krieg in der Ukraine verhagelte dem Geschäftsmann den Deal und seitdem stehen die ausgemusterten Züge nun ungenutzt auf dem Gelände der Havag.

Richter zufolge dränge langsam die Zeit, weil die Bahnen den Platz im Havag-Depot blockieren würden. „Wir haben Räumungszwang“, sagt er. Doch Havag-Sprecherin Iris Rudolph beruhigt: „Die Tatras wurden bereits vor vier Jahren verkauft und müssen nur noch abgeholt werden. Natürlich wäre es schön, wenn dies bald geschehen würde, aber sie stören unsere betrieblichen Abläufe nicht“.

Straßenbahnen zum Verkauf: Zehn Trieb- und fünf Beiwagen im Angebot

Wie auch immer, die Bahnen sollen verkauft werden. Und das läuft gar nicht so anders ab, als der Verkauf eines Kleinwagens. Im Angebot, das im Internet abrufbar ist, werden die zehn Trieb- und fünf Beiwagen angepriesen und beschrieben, wie man es von Autos kennt. „Sie weisen übliche Gebrauchsspuren und alters- und nutzungsbedingten Verschleiß auf“. Der Käufer erhalte auf Wunsch sogar eine technische Einweisung, außerdem stelle der Verkäufer auf Wunsch Serviceleistungen zum weiteren Betrieb zur Verfügung - sprich: Tüv, damit die Bahnen in ihrer neuen Heimat auch zugelassen werden.

Die muss ja nicht unbedingt in Osteuropa liegen, sondern könnte auch ein Museum sein, obwohl der Anbieter einen Verkauf aller 15 Bahnen auf einmal bevorzugt. „Aber jeder kann kaufen“, sagt Richter. „Bei diesem Angebot gibt es keine Einschränkungen.“

Etwa 250.000 bis 300.000 Euro für alle 15 Wagen sollen zusammenkommen

Wer sich also ein paar Meter Schienen und Oberleitung in den Garten legen will - hier die Fahrzeugdaten eines der zehn Modelle T4D-C: Hergestellt 1982 in Prag, 675.000 Kilometer gelaufen. 26 Sitz- und 72 Stehplätze, Höchstgeschwindigkeit: 55 Kilometer pro Stunde. Mit 17 Tonnen ist der Wagen nicht ganz leicht aber mit 14 Metern dafür ziemlich lang. Vier Motoren mit je 58 PS sorgen für ordentlich Beschleunigung auf den Schienen.

Eine Preisvorstellung, auch wenn der Erlös nicht an die Vebeg geht, hat Claus Richter auch schon. Er schätzt, dass etwa 250.000 bis 300.000 Euro für alle 15 Wagen zusammenkommen könnten. Einen Haken gibt es allerdings: Den Transport muss der Käufer organisieren, am besten mit einem Tieflader. Da könnte gut und gerne eine Million Euro zusammenkommen, schätzt Richter. Vielleicht also doch eher etwas für osteuropäische Verkehrsbetriebe. (mz)