1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Stasi in Halle: Stasi in Halle: Mächtigste Behörde der DDR hatte in Neustadt ihren regionalen Hauptsitz

Stasi in Halle Stasi in Halle: Mächtigste Behörde der DDR hatte in Neustadt ihren regionalen Hauptsitz

Von Silvia ZÖLLEr 12.06.2014, 18:47
Das Gebäude der Stasi-Unterlagen-Behörde in Halle-Neustadt
Das Gebäude der Stasi-Unterlagen-Behörde in Halle-Neustadt Archiv/Meinicke

Halle (Saale)/MZ - Es war eine Stadt in der Stadt: Die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit am Gimritzer Damm war ein abgeschirmtes und abgezäuntes Areal, von einer Wach-und Sicherungs-Einheit bewacht. Seit den 70er Jahren hatte sich die mächtigste Behörde der DDR am Rande von Neustadt ihren regionalen Hauptsitz und zugleich ihre eigene Welt für ihre insgesamt über 3 000 Mitarbeiter geschaffen. Es gab eine eigene Tankstelle auf dem Gelände, einen medizinischen Dienst für die Mitarbeiter, eine Sparkasse, einen Zahnarzt und einen Speisesaal.

Doch welche Rolle die von der DDR gefeierte sozialistische Vorzeigestadt Halle-Neustadt für die Stasi spielte, das ist weitgehend unerforscht, bedauert Marit Krätzer, Leiterin der Außenstelle Halle der Stasi-Unterlagenbehörde. Sie hat vor wenigen Monaten die Nachfolge von Uta Leichsenring angetreten. Bislang haben sich nur wenige Wissenschaftler mit dem Thema beschäftigt. „Forschungsanträge gab es zum Beispiel zum Kreuzworträtselmord, zum Jugenddiakon Lothar Rochau und der Jungen Gemeinde Neustadt oder zum Absturz eines GST-Schulflugzeuges im Jahr 1976 in der Nähe der Kindereinrichtung Goldener Schlüssel“, so Archivleiterin Angela Friedenberger. Ansonsten: viel unbearbeitetes Feld.

Tausende Akten zu Neustadt

In den Archiven der Stasi-Unterlagenbehörde am Gimritzer Damm lagern über sieben laufende Kilometer Akten. 217 Meter davon betreffen Neustadt mit insgesamt über 32 000 Akten - es ist der größte Bestand an erhaltenen Akten aller Kreisstellen des Bezirks Halle überhaupt. „Darin geht es unter anderem um Punkertreffen, Schmierereien im Stadtviertel, die Versorgungslage in Delikatläden, die Kontrolle der Bewegungen an der russischen Kaserne oder auch um den Bau von Hochhäusern“, listet Marit Krätzer auf. Auch die Auswertung der Treffen in den 47 konspirativen Wohnungen in Neustadt sind hier dokumentiert. Eben das ganze Programm der Stasi.

Die Stasi-Unterlagenbehörde bietet jeden zweiten Dienstag im Monat um 17 Uhr öffentliche, kostenlose Führungen an. Der nächste Termin ist der 8. Juli. Voranmeldung wird erbeten unter der Telefonnummer 0345/61412711.

Geht man rein von den Zahlen der offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter aus, könnte man meinen, dass die Altstadt für die Staatssicherheit bedeutsamer war: Waren 1989 gerade einmal 35 Mitarbeiter und 147 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) für Neustadt zuständig, so waren es 93 Offizielle und 521 IMs für die Altstadt, geht aus Unterlagen hervor. „Aber bereits im Mai 1957 hat die Stasi eigene Dienststellen in den Buna- und Leunawerken eingerichtet“, relativiert Angela Friedenberger. Zu den Beschäftigten der beiden Chemiebetriebe gebe es umfangreiche Akten.

Vielleicht lässt sich so auch erklären, warum Neustadt zunächst nur von sechs Mitarbeitern des MfS in der Kreisdienststelle Halle - und zwar kurioserweise in der Abteilung „Volkswirtschaft“ beobachtet und kontrolliert wurde. Erst 1968 gründete sich eine Operativgruppe „Halle-Neustadt“. Fünf Jahre später, 1973, wurde sie per Befehl von Stasi-Chef Erich Mielke zu einer eigenen kleinen Kreisdienststelle mit 14 Mitarbeitern erweitert.

Trotzdem gab es eine Besonderheit: Die für Neustadt zuständigen Stasi-Mitarbeiter waren - anders als die hallesche Außenstelle in der Ludwig-Stur-Straße - auf dem besonders gesicherten Gelände am Gimritzer Damm untergebracht. Damit war die Neustädter Dienststelle die einzige, die so räumlich eng mit der Bezirksverwaltung zusammengearbeitet hat.

Besetzung der Behörde 1989

Dass der Aktenbestand für Neustadt weitgehend erhalten ist, ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass die Behörde hier ihren Sitz hatte. „Die Unterlagen der Dienststelle Halle sind zum Teil während der Wende vernichtet worden“, erinnert Archivarin Christiane Hagemann. Dagegen haben Bürgerrechtler in Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Polizei im Dezember 1989 die Versiegelung der Archive und Aktenschränke in der Stasi-Zentrale durchgesetzt. 150 Hallenser, darunter die Initiatoren Frank Eigenfeld vom Neuen Forum und Pfarrer Ulrich Schlademann, waren damals an die Tore der Stasi-Zentrale gekommen, doch nur einige wurden eingelassen. Sie halfen mit, Tausende Akten zu sichern.

Marit Krätzer ist die Leiterin der Außenstelle Halle der Stasi-Unterlagenbehörde.
Marit Krätzer ist die Leiterin der Außenstelle Halle der Stasi-Unterlagenbehörde.
Lüttich Lizenz