Stadtteil Steintorviertel Stadtteil Steintorviertel: Einst Vorstadt von Halle

Halle (Saale) - Wenn der Hallenser vom Steintor spricht, kann er damit gleich zweierlei meinen. Da ist zum einen der Platz mit einer langen und wechselvollen Geschichte, der einem ganzen Viertel den Namen gegeben hat. Dieser Platz erhielt seinen Namen von einem steinernen Tor. Bereits 1182 gab es - zumindest ganz in der Nähe des heutigen Steintor-Areals - ein im Unterschied zu allen anderen Stadttoren in Stein ausgeführter mittelalterlicher Stadteingang.
Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle vor: hier das Steintorviertel.
Dieses „innere Steintor“ lag etwa 600 Meter in südwestlicher Richtung, und auch die bereits im 13. Jahrhundert bestehende Steintorvorstadt endet etwa dort, wo sich heute die Ludwig-Stur-Straße befindet. Dort lag das „äußere Steintor“, das Teil einer 1305 befestigten Lehm- und Steinmauer war.
Einst Schnittpunkt von drei Landstraßen
Von dort ging es damals auf die einstige Heerstraße nach Landsberg und Wittenberg, die mit der Handelsroute aus Richtung Magdeburg - noch heute heißt sie Magdeburger Straße - zusammentraf. Der Schnittpunkt dieser drei Landstraßen lässt sich immer noch an der Kreuzung vor dem ehemaligen Arbeitsamt (dem roten Backsteingebäude am Ende der Ludwig-Wucherer-Straße) erkennen. An dieser Stelle stand schon im 16. Jahrhundert der „Grüne Hof“ - ein zum Amt Giebichenstein gehörendes Vorwerk.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde der „Grüne Hof“ zum Gasthof erweitert, umgeben von Gehöften. Um 1700 entstanden einige Häuser, doch bis Anfang des 19. Jahrhunderts kamen kaum Gebäude hinzu. „Die (...) typische Vorstadtbebauung, geprägt von Ökonomien und Gasthöfen, aber auch gartenumgebenen Sommerhäusern hallischer Bürger, bleibt weitestgehend (...) auf den Bereich der heutigen Großen Steinstraße beschränkt“, so der Historiker Erik Neumann, der sich eingehend mit der Geschichte des Platzes beschäftigt hat.
Rossplatz in Halle - Ort des Grauens und des Schreckens
Das Gelände „vor“ der Steintorvorstadt, das bis ins 19. Jahrhundert fast nur landwirtschaftlich genutzt wurde, hatte allerdings bei vielen Hallensern in der Stadt lange Zeit den Ruf als Ort des Grauens und des Schreckens - lag hier doch eine der mittelalterlichen Richtstätten. So wurden auf dem Rossplatz solch martialische Strafen wie Rädern und Verbrennen vollstreckt. 1816 dann wurde die erste Hinrichtung näher in Richtung Steintor vollzogen: an der heutigen Ecke Paracelsusstraße und Lu-Wu.
Der „Grüne Hof“ indes, gelegen am steintorseitigen Ende der heutigen Ernst-Kromayer-Straße, wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Truppen Wallensteins 1633 niedergebrannt, später wieder aufgebaut. Der Ort war auch zu dieser Zeit bekannt für seine zum Teil mysteriösen Todesfälle: Mit Gründung der Universität 1694 zogen die Studenten zum „Grünen Hof“. 1716, so berichtet Chronist Johann Christoph von Dreyhaupt, pilgerten Studenten der „Grünhöfer Kompanie“ (erkennbar an ihren grünen Hutbändern) zum Festgelage, um „30 Maß Bryhan“ auszusaufen - mit unerklärlicher Todesfolge für viele von ihnen. Wahrscheinlich war das Bier gepanscht ...
Steintor ist das älteste Varieté weltweit
Doch eben nicht nur das voller Geschichte steckende Areal vor Halles Stadtmauern ist mit dem Begriff Steintor gemeint. Denn zum anderen ist ja da auch noch „das Steintor“: Ein Varieté, das seinesgleichen sucht. Es gilt als das älteste seiner Art weltweit. Das Gebäude wurde 1856 erstmals erwähnt, und bereits zwischen 1884 und 1886 diente die Reithalle des Pferdehändlers Lözius als eine Zwischenlösung, ehe das Gebäude am 1. Februar 1889 als „Walhalla-Varieté“ eröffnet wurde.
Zeitungen und Journale warben damals für das „Theater für Spezialitäten allerersten Ranges“. Das „Walhalla“ wurde als Rauchtheater eingeführt - man konnte es sich überall bequem machen. Nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurden neben den traditionellen Aufführungen, den „Nummernprogrammen“, sogar Operetten in den Spielplan aufgenommen. In den Goldenen Zwanzigern erhielt das Varieté sein heutiges Gesicht, damals wurde es vom Filmunternehmen Ufa betrieben.
Steintor-Chef: Der Charme des Hauses ist erhalten geblieben
Nach der zwischenzeitlichen Schließung während des Zweiten Weltkrieges war es die erste kulturelle Einrichtung, die 1945 in Halle wieder öffnete. Zu DDR-Zeiten war es neben dem Friedrichstadtpalast in Berlin das einzige Varieté der Republik - und trug da schon den Namen „Steintor“. Ob „Hoppel-Poppel“ (der Vorläufer der inzwischen ebenfalls legendären Weihnachtsrevue), die Hesse-Revue „Tanz im Wandel der Zeiten“ oder die in den 60ern mit Beginn der Beatles-Ära bejubelten Auftritte der „Sputniks“ - ältere Hallenser werden sich erinnern.
Zwischen 1994 und 1996 geschlossen, ist Rudenz Schramm seit 1996 Geschäftsführer des Hauses. „Zu DDR-Zeiten wurde es aus Desinteresse nicht totsaniert - das ist heute unser Glück: Der Charme des Hauses ist erhalten geblieben“. Nach der Sanierung erstrahlt das Varieté nun mit alter, neuer Fassade. Jetzt wird das Foyer erweitert. Das setzt dem „Steintor“ einen weiteren, den letzten Glanzpunkt. (mz)
