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Stadtteil Am Wasserturm/Thaerviertel Stadtteil Am Wasserturm/Thaerviertel: Die Le­bens­ader im Norden

Von Oliver Müller-Lorey 09.11.2018, 16:41
Uwe Glaeser ist Vorsitzender des Wasserturmvereins.
Uwe Glaeser ist Vorsitzender des Wasserturmvereins. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Jeder Hallenser, der auf der Paracelsusstraße stadtein- oder auswärts unterwegs ist, kennt ihn und kommt um ihn nicht herum: den Wasserturm Nord. Auf einem kleinen Hügel gelegen, zwischen Paulusviertel und Nordfriedhof teilt sich die Straße, führt um das 54 Meter hohe Bauwerk herum und findet dahinter wieder zusammen. Doch ausgerechnet seine exponierte Lage wäre ihm in späten DDR-Jahren beinahe zum Verhängnis geworden.

"Fast wäre der Wasserturm der Hochstraße, die damals neu gebaut wurde, zum Opfer gefallen", weiß Uwe Glaeser, der sich schon sein halbes Leben lang mit dem Turm beschäftigt. Früher war der Ingenieur bei der Wasserwirtschaft für den Bau von Wasserleitungen und -anlagen zuständig. Heute ist er Vorsitzender des Wasserturm-Vereins, der sich nicht nur dem nördlichen, sondern auch dem südlichen Turm im Lutherviertel angenommen hat.

"Ohne Wasserturm hätte es das Paulusviertel nicht gegeben"

Er weiß um die bewegte Geschichte des Turmes, der dem gleichnamigen Viertel seinen Namen gab und es bis heute prägt. "Gebaut wurde der Turm in den Jahren 1898 bis 1899 im Jugendstil. Damals hat man noch Geld gehabt", sagt Glaeser. Tatsächlich ist der Turm, an sich ja nur ein technisches Bauwerk, das einst den Wasserdruck in der Leitung aufrechterhalten und Verbrauchsspitzen abfedern sollte, erstaunlich kunstvoll verziert.

Wasser-Fabelwesen aus rotem Porphyr blicken auf die Besucher herab, die um den Turm herum gehen. Sein Bau ist eng mit der Errichtung des Paulusviertels verknüpft. "Ohne Wasserturm hätte es das Paulusviertel nicht gegeben", sagt Glaeser. Denn der Druck aus dem damals noch aktiven aber zu niedrigen Wasserturm im Stadtpark war zu gering für die vielen Häuser rund um die Pauluskirche. Also musste ein neuer her. Und weil man damals wirklich noch Geld hatte, richtete man auch gleich eine Polizeistation im Turm ein. Dort, wo früher der Kommissar saß, ist heute die Küche des Wasserturm-Vereins. Und dort, wo früher die Arrestzellen auf Verbrecher warteten, spielt plätscherndes Wasser eine nicht unerhebliche Rolle...

Stadtteil Am Wasserturm/Thaerviertel: Die Lebensader im Norden

Im oberen Teil, den man neuerdings auf Führungen vom Stadtmarketing besteigen kann, geben zig kleine Bullaugen und zu öffnende Fenster einen Blick auf das Wasserturm- und Thaerviertel frei, das die Stadt aber, etwa bei Wahlen, stets als ein Viertel zusammenzählt.

Im Südosten liegt der Nordfriedhof, der zu Unrecht oft hinter Stadtgottesacker und Gertraudenfriedhof vergessen wird. Denn dort liegen einige bedeutende Hallenser begraben. Julius Kühn etwa, ohne den es die bekannten landwirtschaftlichen Versuchsfelder im Thaerviertel direkt nebenan wohl nie gegeben hätte. Östlich vom Wassertrum liegt eine kleine Siedlung mit einstöckigen Häusern und Gauben in den Dächern. Sie alle haben dieselbe Adresse: "Im Winkel". Doch das Wassertrumviertel kann auch größer: Dort, wo früher eine Kaserne stand, befindet sich heute der moderne und wuchtige Bau der Rentenversicherung.

Stadtteil Am Wasserturm/Thaerviertel: Die Lebensader im Norden

Ein paar Meter weiter nördlich die Straßenbahnhaltestelle mit dem wohl längsten Namen in Halle, die "Äußere Hordorfer Straße", die von der Linie 1 angefahren wird. Die meisten Hallenser besuchen das Wasserturmviertel aber mit alten Öldosen, einem Anhänger voll Bauschutt oder nach getaner Gartenarbeit. Denn im nordöstlichen Eckchen des Wasserturmviertels liegt der Wertstoffhof der Stadtwerke. Auch er ist vom Wasserturm aus gut zu sehen.

Nicht nur der Bau der Paracelsusstraße hätte fast zu seinem Abriss geführt. Auch der Zahn der Zeit hatte kräftig am Gebäude genagt, das ab 1966 nicht mehr für die Wasserversorgung benötigt wurde. Durch neue Pumpen konnte Halles Norden auch ohne Wasserturm versorgt werden. "Aber der Volkskammerpräsident kam damals glücklicherweise aus Halle und hat sich gegen den Abriss und für eine Sanierung eingesetzt", erzählt Glaeser. Zu späteren DDR-Zeiten habe es sogar Bestrebungen gegeben, den Turm wieder an die Wasserversorgung anzubinden.

Stadtteil Am Wasserturm/Thaerviertel: Die Lebensader im Norden

Bis zur Wende war fast der gesamte ehemals rostige 1.200.000 Liter fassende Wassertank restauriert. "Nur vier Meter fehlten noch", sagt Glaeser. Die Polizeiwache war da natürlich schon längst ausgezogen, genauso wie der Turmwärter, dem eine wichtige Aufgabe zukam. Er musste nicht nur Ventile der massiven Wasserleitungen auf- und zudrehen, sondern auch ein waches Auge auf den Füllstand des Tanks haben. Drohte der Behälter überzulaufen, musste er im Wasserwerk anrufen und darum bitten, die Wasserzufuhr zu drosseln.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Das einzige, das jetzt noch fließt ist der Verkehr um den Wasserturm herum. Zum Glück. (mz)