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Stadtteil "Am Südpark" Stadtteil "Am Südpark": Leben zwischen Park und Platte

Von Oliver Müller-Lorey 23.05.2018, 05:00
Beate und Stefan Enkelmann vor ihrer Parkschenke mitten im Südpark
Beate und Stefan Enkelmann vor ihrer Parkschenke mitten im Südpark Johannes Stein

Halle (Saale) - Es gäbe viele Gründe für Stefan Enkelmann, den Südpark am unteren Ende von Halle-Neustadt zu verlassen. Der schlechte Ruf als „Brennpunkt“, den sich das Quartier vor zwei Jahren nach Konflikten mit zugezogenen Roma endgültig aneignete, die enge Wohnbebauung Platte an Platte, oder sein ganz persönlicher Tiefschlag, den er hier, im Südpark, erlitt. Bei einem Reitunfall vor sieben Jahren fiel er vom Pferd, ist seitdem querschnittsgelähmt.

Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle vor: hier „Am Südpark“

Doch mindestens so viele positive Gründe gibt es für den 60-Jährigen, in „seinem“ Quartier zu bleiben. Allem voran seine Gaststätte, die „Parkschenke“. Auf einem Spaziergang an einem warmen Mai-Tag, wird schnell klar, was der Südpark zu bieten hat.

Am Südpark: Romantische Holzbrücke über den „Kirchteich“

Durchquert man die Telemann- und Ernst-Hermann-Meyer-Straße ostwärts, führt eine romantische Holzbrücke über den „Kirchteich“ - ein kleines Gewässer mit Vögeln, Fröschen und sogar Fischen. Das Rauschen der B80 wird leiser und verschwindet schließlich hinter stetigem Vogelgesang.

Hinter dem Teich öffnet sich der echte „Südpark“, die Grünanlage, die dem Viertel seinen Namen gab. Auf mehreren Spielplätzen tollen Kinder herum, auf den Wegen führen Anwohner ihre Hunde spazieren und die Grünflächen dienen als Grillplätze. Keine Spur von Plattenbau-Atmosphäre. Keine Spur von Einsamkeit, über die so mancher alte Bewohner im Wohngebiet klagt. Dass nur ein paar hundert Meter weiter in der Eduard-Künneke- und der Mendelssohn-Bartholdy-Straße die Polizei vor knapp zwei Jahren Überwachungskameras aufgehängt hat - kaum vorstellbar in diesem grünen Idyll.

Parkschenke: Bereits zu DDR-Zeiten konnte man sich bei Hausmannskost stärken

Die Parkschenke erreicht, wer auf dem Hauptweg die erste Kreuzung links abbiegt. Es ist ein Flachbau mit Wintergarten inmitten alter Bäume. Vor einem Blumenbeet kniet eine weißhaarige Frau und setzt Zierpflanzen in frisch gegrabene Löcher. Es ist Beate Enkelmann, die Frau vom Gaststättenbesitzer Stefan Enkelmann, der in einem Rollstuhl danebensitzt.

Die Parkschenke ist Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens. Bereits zu DDR-Zeiten konnte man sich hier bei Hausmannskost stärken. Doch nach der Wende ging die Gaststätte pleite. „1995 habe ich sie übernommen und ausgebaut. Hier war keine Heizung drin“, erinnert sich der 60-Jährige, der gelernter Koch ist. Eines Tages suchte er eine Küchenhilfe - und seine spätere Frau Beate trat in sein Leben. Aus dem Arbeits- wurde ein Liebesverhältnis. „Die Küche war wohl zu eng“, scherzt der Koch.

Zeugnisausgaben, Jugendweihen und Geburtstage

Von nun an schmiss sie den Service und er stand hinterm Herd. Dutzende Zeugnisausgaben, Jugendweihen und Geburtstage haben die Einwohner des Südparks in der Schenke gefeiert. Einmal im Jahr organisierte Stefan Enkelmann außerdem ein Kinderfest für die „Schnitte“, ein Anlaufpunkt für benachteiligte Kinder in Neustadt. „Ich habe von einem Bekannten aus Angersdorf dafür immer zwei Pferde zum Reiten für die Kinder geholt“, sagt Enkelmann.

Jahrelang war das Reiten der Höhepunkt für die Kinder und die beiden Gastronomen, bis ein einziger Augenblick alles veränderte. „Als ich ein Pferd zurückreiten wollte, ist es in einen Maulwurfshügel dort hinten getreten“, sagt Enkelmann und deutet auf eine Wiese, rund 50 Meter vor der Gaststätte. „Wir haben uns beide gerollt und ich bin nicht mehr aufgestanden.“ Diagnose: Querschnittslähmung.

Realität im Wohngebiet nicht so rosig

Doch das Ehepaar hält weiterhin fest zusammen, inzwischen kann Enkelmann auch wieder kochen. Weder das Pferd noch den Südpark verflucht er für sein Schicksal - im Gegenteil. Die Enkelmanns haben sogar eine Betriebswohnung hinter dem Restaurant und sind damit wahrscheinlich die einzigen Hallenser, die ihre Wohnung in einer Grünanlage haben. Vor ein paar Jahren wurden sie in der Wohnung getraut - ein Leben für den Südpark!

Natürlich wissen beide, dass die Realität im gleichnamigen Wohngebiet nicht so rosig ist, wie im Park. „Der Ruf wurde vor drei bis vier Jahren endgültig schlecht“, sagt Stefan Enkelmann. Viele Bewohner seien arbeitslos, weil die Menschen nach der Wende den Anschluss verloren hätten. Die Entlassungswellen in Leuna und Buna traf die Einwohner des Südparks besonders hart.

„Jetzt haben wir schon die dritte Generation Hartz IV“, sagt er. Aber abgeschrieben sei das Viertel noch längst nicht. Hoffnung machen ihnen Stammgäste wie ein Ingenieur, der bei der Deutschen Bahn arbeitet und im Südpark wohnt. „Und manchmal kommen Besucher extra hierher, weil es im Südpark Wildtulpen gibt“, sagt Beate Enkelmann. „Außerdem wächst im Wald auch Bärlauch und wir haben Schlehen. Man muss nur genau hinsehen, dann sieht man sie.“ (mz)