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Dienstverbot für Halles OB Stadtrat wirft Wiegand vorerst aus dem Rathaus

Der Stadtrat schickt Bernd Wiegand in den Zwangsurlaub. Der parteilose Politiker darf das Rathaus nicht mehr betreten, sein Gehalt bekommt er weiterhin.

07.04.2021, 21:10
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) ist vom Dienst suspendiert.Foto: dpaARCHIV - 24.02.2021, Sachsen-Anhalt, Halle (Saale): Bernd Wiegand (parteilos), Oberbürgermeister der Stadt Halle/Salle, während der Sitzung des Stadtrates. Vor einer Sondersitzung des Stadtrates in Halle zeichnet sich eine Mehrheit ab, die Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) auf Zeit von seinen Dienstgeschäften entbinden will.(zu dpa «Mehrheit zeichnet sich ab - Muss Halles OB für drei Monate gehen?») Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) ist vom Dienst suspendiert.Foto: dpaARCHIV - 24.02.2021, Sachsen-Anhalt, Halle (Saale): Bernd Wiegand (parteilos), Oberbürgermeister der Stadt Halle/Salle, während der Sitzung des Stadtrates. Vor einer Sondersitzung des Stadtrates in Halle zeichnet sich eine Mehrheit ab, die Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) auf Zeit von seinen Dienstgeschäften entbinden will.(zu dpa «Mehrheit zeichnet sich ab - Muss Halles OB für drei Monate gehen?») Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ zb

Halle (Saale)

Wegen seiner Rolle in der Impfaffäre muss Halles parteiloser Oberbürgermeister Bernd Wiegand das Rathaus verlassen. Die Führung der Dienstgeschäfte ist dem 64-Jährigen verboten. Das beschloss der Stadtrat am Mittwochabend in nichtöffentlicher Sitzung.

34 Räte stimmten dafür, 13 dagegen, ein Parlamentarier enthielt sich. Nötig waren mindestens 25 Stimmen. Die Suspendierung gilt für die Dauer des laufenden Disziplinarverfahrens und tritt in Kraft, sobald Stadtratsvorsitzende Katja Müller (Linke) dem Oberbürgermeister die Verfügung überreicht. Ein formaler Akt, der allerdings einige Tage dauern kann. Wiegand muss dann Dienstgegenstände übergeben und hat Hausverbot. Seine Dienstbezüge hingegen werden unverändert weitergezahlt. Wiegand blieb der Stadtratssitzung fern. Ab Donnerstag will er zudem Urlaub nehmen.

Impfaffäre brachte Wiegand in Bedrängnis

Auslöser des spektakulären Schritts ist die vorzeitige Impfung Wiegands und weiterer Personen. Anfang Februar hatte der Oberbürgermeister auf MZ-Nachfrage eingeräumt, dass er am 17. Januar eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten hatte. Auch Stadträte und Mitglieder des Katastrophenschutzstabes waren geimpft worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Impfstoff jedoch ausschließlich für Hochbetagte und Pflegepersonal freigegeben.

Formal gilt die Suspendierung nicht als Strafe, sondern als Schritt zum Aufrechterhalten einer funktionstüchtigen Verwaltung. Nach Beamtenstatusgesetz kann die Führung der Dienstgeschäfte „aus zwingenden dienstlichen Gründen“ verboten werden. Laut Gerichten ist das der Fall, wenn der Dienstbetrieb andernfalls erheblich beeinträchtigt wäre. Dienstherr des Oberbürgermeisters ist der Stadtrat.

Es ist das erste Mal seit Neu-gründung des Landes 1990, dass ehrenamtliche Kommunalpolitiker einer großen Stadt einem Verwaltungschef die Amtsausübung untersagen. Eingebracht wurde der Antrag von Linken, Grünen, SPD und FDP. Die Parteien begründen ihr Vorgehen zum einen mit der Gefahr, dass Wiegand aus seinem Amt heraus die Aufklärung der Affäre hintertreiben könnte. „Zum anderen ist das Ansehen der Stadtverwaltung durch den Verdacht der rechtswidrigen Selbstbegünstigung des Oberbürgermeisters schwerwiegend beeinträchtigt“, heißt es weiter in der Begründung des Antrags.

Wiegand konnte Vorwürfe in Impfaffäre nicht entkräften

Wiegand versuchte noch unmittelbar vor der Entscheidung, den Stadtrat auf seine Seite zu ziehen. In einem 14-seitigen Papier widersprach er den Vorwürfen und nannte die Verwendung des Impfstoffs rechtmäßig. „Erneut wird versucht, einen von den Bürgerinnen und Bürgern mit klarer Mehrheit gewählten parteiunabhängigen Oberbürgermeister aus dem Amt zu drängen“, klagte Wiegand.

Der Jurist ist seit 2012 Oberbürgermeister. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Halle gegen ihn. Sie stuft die vorzeitigen Impfungen als möglichen Fall von veruntreuender Unterschlagung ein. In einem Zwischenbericht weist die Staatsanwaltschaft zentrale Argumente von Wiegands Verteidigung zurück.

Die Landes-SPD forderte Wiegand am Mittwoch zum Rücktritt auf. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sagte der MZ: „Die Suspendierung ist der richtige Schritt. Der Bericht der Staatsanwaltschaft hat gezeigt, dass der OB bewusst über die Impfverordnung hinweggegangen ist.“ Grünen-Landtagsfraktionschefin Cornelia Lüddemann nannte den Beschluss des Rats eine gute Entscheidung. Das System Wiegand offenbare „erschreckend diktatorische Züge“. (mz)