Stadtarchiv Halle Stadtarchiv Halle: Die Zeugnisse von Margot Honecker werden ausgestellt

Halle/dpa - Hinter einer dicken grauen Tür im Stadtarchiv von Halle schlummern zu DDR-Zeiten geheim gehaltene Dokumente. Auf den ersten Blick sind die sechs blauen Zeugnishefte unscheinbar, das Papier leicht vergilbt, mehr als 30 Namen stehen darin. Doch unter Nummer 8 zeigt Archivar Roland Kuhne auf einen Namen, der in die deutsche Geschichte eingegangen ist: Margot Feist, die spätere Volksbildungsministerin der DDR, Margot Honecker. Die „Weingärtenschule“ verließ sie Ostern 1941 nach acht Jahren als junges Mädchen - in Fleiß, Betragen und Religion hatte sie auf dem Abschlusszeugnis die Note 2, in Rechnen und Lesen auch, erzählt Kuhne.
Margot Honecker wurde am 17. April 1924 in Halle geboren. Sie lebt seit dem Tod ihres Mannes, Ex-DDR-Staatschef Erich Honecker, nach wie vor in Chile. Im Stadtmuseum von Halle, das derzeit aufwendig saniert wird, soll in einer neuen Dauerausstellung erstmals auch ihr Leben in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden - nicht nur, auch nicht zentral, aber überhaupt einmal in Halle. Und auch das Leben des Architekten der deutschen Einheit, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP)- Ehrenbürger von Halle -, soll im selben Raum beleuchtet werden. Er hat sich bislang nicht zu dem Plan geäußert.
Das Ausstellungskonzept sieht es jedenfalls so vor, wie Kuratorin Susanne Feldmann berichtet. „Da gehen wir ganz sorgfältig mit um“, versichert die 49 Jahre alte Kulturwissenschaftlerin. „Wir wollen nicht politische Karrieren nachvollziehen, sondern zeigen, was hat Halle für diese Menschen, die Geschichte geschrieben haben, bedeutet.“ Es gehe darum, sich mit umstrittenen, fragwürdigen oder zwiespältigen Personen und Themen der Stadtgeschichte zu beschäftigen, erklärt Stadtsprecher Drago Bock. Wenn dies zu öffentlichen Debatten anrege, sei das ein guter Beleg für ein lebendiges Museum wie für eine lebendige Stadt.
Der Politologe Everhard Holtmann aus Halle sagt, es sei immer zwingend erforderlich, dass Repräsentanten diktatorischer Regime in einer Weise dargestellt würden, die dem Betrachter eine historisch-kritische Einschätzung ermögliche. „Dies schließt aus, dass prominente „Gesichter der Stadt“ schlicht in eine Reihe gestellt und ohne Erläuterung der Kontexte „rein menschlich“ präsentiert werden“, mahnt er. Die Ausstellungsmacher argumentieren, zum historischen Erbe einer Stadt gehöre ihre ganze Geschichte mit allen Facetten und Personen.
„Geschichte kann sich auch über die Frage erschließen, wie Menschen, die im gleichen Jahrgang geboren wurden, sich politisch unterschiedlich entwickelt haben“, erklärt der Stadtsprecher. Ob das Geld der klammen Kommune dafür reichen wird, sei noch ungewiss. Bis dahin hütet Archivar Kuhne im Stadtarchiv so manche Geheimnisse der einst mächtigen Frau der DDR aus deren Schulzeit.
„Das sind städtische Dokumente, kein Privatnachlass, das bleibt alles hier“, sagt er und schließt die blauen Klassenhefte von Margot Honecker im Stadtarchiv vor neugierigen Blicken wieder vorschriftsgemäß weg. Die Hefte habe das Stadtarchiv nach der Wende von einem Nachrichtenmagazin überlassen bekommen. „Zu DDR-Zeiten waren sie weg.“ In der Schule, die heute ein Künstlerhaus ist, war Margot Honecker mit dem Mädchennamen Feist 1933 mit sechs Jahren in eine reine Mädchen-Klasse eingeschult worden. Auch auf dem ersten Zeugnis hatte sie „durchgehend eine 2“, weiß der Archivar. Dann verschließt er die graue Tür vor neugierigen Blicken.