Sportförderung Sportförderung : Wieso Halles Turnerinnen plötzlich wieder hoffen dürfen

Halle (Saale) - Ein Klacks. Für einen Turner wie Matthias Fahrig, der bei den Akrobatikreihen seiner Bodenübungen in der Luft um die Längs- und Breitenachse wirbelt, als gelte für ihn keine Schwerkraft, für den ist ein Doppelsalto eigentlich keine große Sache. Beim Training am Dienstagabend aber schon. Denn der Europameister von 2010 an diesem Gerät übte dieses Element mit Talenten. Er zeigte den elf- und zwölfjährigen Mädchen, wie’s geht, gab ihnen Hilfestellung, kritisierte und lobte.
„Das ist ein unglaublich gutes Gefühl, wenn man seine Erfahrungen weitergeben kann“, sagt der 30-Jährige. Obwohl der von der Bundeswehr geförderte Sportsoldat sich selbst nach wie vor auf große Meisterschaften vorbereitet, versucht er inzwischen den Spagat und arbeitet zumindest für ein paar Stunden in der Woche als Honorartrainer.
Wachsende Trainingsgruppen
Für Conny Schütz ist die Hilfe des Meisterturners, der gerade seine Trainerlizenz macht, eine enorme Entlastung. Die Landestrainerin nämlich betreut im Augenblick sieben Elf- bis 18-Jährige, während sich ihre Kollegin Ute Deyl um 20 Sechs- bis Zehnjährige kümmert. Und die beiden Trainingsgruppen wachsen weiter.
Ein erfreulicher Fakt ist das an sich, zweifellos, doch angesichts der dünnen Personaldecke auch eine große Herausforderung. „Unsere Sportart ist sehr trainingsintensiv und erfordert auch ein Stück weit individuelle Betreuung“, betont Conny Schütz. Und nun ist tatsächlich Besserung in Sicht. Denn nach den Kriterien des Sportfördergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt wird Frauenturnen künftig wieder stärker gefördert.
Im Olympiazyklus 2012 bis 2016 standen dieser Disziplin - mangels internationaler Erfolge - als so genannte Projektsportart nur 20 000 Euro pro Jahr vom Landessportbund zu. Ab 2017 wird sich die für Personalkosten zur Verfügung stehende Summe verdoppeln. Denn Frauenturnen nimmt im Ranking die Stufe zur nächsthöheren Kategorie (siehe Text: Kim Janas punktet“). Am 12. November wird der Hauptausschuss des Landessportbundes in Staßfurt bestätigen, dass „Turnen weiblich“ nunmehr Fördersportart ist. Damit besteht sogar die Aussicht, einen der Betreuer über den Trainer-Pool des LSB zu finanzieren. Wird dieser Antrag bestätigt, bleibt also mehr Geld für Honorartrainer. In Zeiten, in denen durch die angestrebte Leistungssportreform über Bundesstützpunkt-Schließlungen debattiert wird, nicht zuletzt bei den männlichen Turnern in Halle, ist das eine erfreuliche Nachricht.
Auch Nationalmannschaftstrainerin Ulla Koch hat die positive Entwicklung in Halle registriert. „Conny Schütz macht einen tollen Job“, sagt die Kölnerin. „Und ich finde es gut, wenn sie als Trainerin noch mehr unterstützt wird, um die Turnerinnen weiter zu schulen, vor allem aber auch um neuen Nachwuchs zu gewinnen, denn unser Blick geht da in Richtung 2020 und 2024.“
Von Stuttgart nach Halle
Eine, die möglicherweise dafür in Frage käme, ist Amelie Berczes. Die Zwölfjährige kam im Sommer vom Bundesstützpunkt in Stuttgart, um an der Sportschule in Halle zu lernen und in jener Trainingsstätte zu üben, in der sich einst ihr Vater Christian Berczes zum WM-Turner profiliert hatte. Weitere Neuzugänge sind avisiert.
„Nächstes Jahr “, so erklärt Conny Schütz, „werden wieder zwei Talente eingeschult, dann haben wir insgesamt neun Sportschülerinnen“. Dazu kommen regelmäßig Nachwuchsturnerinnen aus dem Mansfeldischen, Dessau und Thüringen zu Athletiktest und der Technikabnahme. Talentsichtung also, die sich irgendwann auszahlen soll.
Ein Matthias Fahrig am Mattenrand ist sicher auch ein Zugpferd. Halles Spitzenturner kann sich vorstellen, wenn er irgendwann seinen Spind bei den Aktiven räumt, als Trainer zu arbeiten. Die Spur dafür scheint gelegt. (mz)