1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. So erlebte eine hallesches Paar den Umbau des Dessauer Platzes

„Das mit den Steinen war wahrscheinlich illegal“ So erlebte eine hallesches Paar den Umbau des Dessauer Platzes

MZ-Leser erzählen ihre Geschichte zum Umbau der Straße im Norden der Stadt. Wie die Steine bei Wöllenwebers zweckentfremdet wurden

Von Silvia Zöller 15.06.2021, 10:30
Karin  und Hans-Dieter Wöllenweber  leben in einem Haus, das eine Mauer aus Pflastersteinen aus der alten   Dessauer Straße hat.
Karin und Hans-Dieter Wöllenweber leben in einem Haus, das eine Mauer aus Pflastersteinen aus der alten Dessauer Straße hat. Foto: Silvio Kison

Halle (Saale) - Wie lief der Umbau des Dessauer Platzes und in welchem Jahr war er genau? Das hat sich der ehemalige hallesche Kripo-Ermittler Siegfried Schwarz aufgrund von Recherchen zu seinem neuen Buch gefragt, das sich unter anderem mit einem Tötungsdelikt unter Bauarbeitern des Dessauer Platzes beschäftigt. Leser haben sich nun zu dem Thema gemeldet.

Hautnah miterlebt haben den Umbau der Dessauer Straße Karin und Hans-Dieter Wöllenweber. Die 80-Jährige ist ganz in der Nähe der Dessauer Straße aufgewachsen, ihr gleichaltriger Mann zog nach der Hochzeit 1966 mit ein. An die Umbauarbeiten haben sie eine ganz besondere Erinnerung - in Form einer Mauer. „Meine Mutter hatte sich immer einen Kellereingang an unserem Haus gewünscht“, berichtet Karin Wöllenweber. Sie hatte deswegen damals die Bauarbeiter an der Dessauer Straße angesprochen, ob sie sich mit dieser Arbeit abends noch Geld verdienen möchten.

Bauarbeiten an der Dessauer Straße seien damals sehr positiv von den Hallensern aufgefasst worden

Das wollten sie und rückten schon bald mit Geräten, Werkzeug - und Pflastersteinen aus der alten Dessauer Straße an. „Das mit den Steinen war wahrscheinlich illegal“, sagt Karin Wöllenweber heute - aber so lief es eben zu DDR-Zeiten. „Die Bauarbeiter waren unheimlich nett und hilfsbereit“, erinnert sich die frühere Augenärztin. Vermutlich auch, weil ihre Mutter dem Bautrupp immer auch ein kräftiges Abendessen servierte. So waren die Kellertreppe und die Seitenwände mit den Pflastersteinen der historischen Straße bald fertig. Und: Alles hält bis heute.

Die Bauarbeiten an der Dessauer Straße seien damals sehr positiv von den Hallensern aufgefasst worden: „Wir freuten uns, wenn etwas Neues entstand.“ Hans-Dieter Wöllenweber, der viele Jahre für die FDP im Stadtrat saß, erinnert sich, dass die Hallenser stolz waren, nun genau wie Magdeburg eine „Stadtautobahn“ zu erhalten - so wurde die neue Trasse genannt.

Zu den Gärten gab es die beliebte Ausflugsgaststätte „Thomas“

Statt einer Kopfsteinpflasterstraße, in deren Mitte die Straßenbahn fuhr, entstand eine breite Wegführung mit den Straßenbahnschienen in der Mitte. Die wurden übrigens von der Hordorfer Straße im Zuge des Umbaus auf die neue Brücke verlegt. Zuvor habe es entlang der Dessauer Straße Gärten gegeben, die durch die Bauarbeiten allesamt weggefallen waren.

Zu den Gärten, so Wöllenweber, gab es nicht nur die beliebte Ausflugsgaststätte „Thomas“, sondern sogar eine gleichnamige Straßenbahn-Haltestelle. Heute steht das Haus, leider sehr verfallen, noch genau gegenüber der Stelle, an der die B100 auf die Dessauer Straße trifft. „Es gab einen großen Kinderspielplatz und uralte Kastanien im Biergarten der Gaststätte“, ergänzt er. Man sei nur über einen Feldweg dorthin gekommen,

Die alte F 100 hatte damals einen sogenannten „Sommerweg“

In der Zeit vor dem Umbau ist Hans-Dieter Wöllenweber übrigens als Schaffner in der Straßenbahn mitgefahren. „1957 hatte ich begonnen, in den Sommer- und Herbstferien als Schaffner zu arbeiten. Das war erst mit 16 Jahren erlaubt“, erzählt er. Bis zum Abitur mit 18 drehte er so seine Runden mit der Bimmel, natürlich auch über die Paracelsus- und Hordorfer Straße.

Karin Wöllenweber erledigte dagegen ihre Wege damals - wie auch heute- eher mit dem Fahrrad. Sie erinnert sich daran, dass die alte F 100 noch einen sogenannten „Sommerweg“ hatte, auf dem Fuhrwerke und eben Räder fuhren. Mit dem Umbau des Platzes wurde die F 100 dann auch ausgebauter Zubringer für die Autobahn A 14, die bereits in den 1960er-Jahren existierte. (mz)