Trendsport in Halle Slackline Halle: Erster Verein für Slackliner in Sachsen-Anhalt

Halle (Saale) - Wie ein Gummiball schnipst Felix Blumenstein in die Luft. Er winkelt die Beine an, dreht sich und landet dann wieder auf einer wenige Zentimeter breiten Leine.
Das schmale Stück Stoff ist unter ihm zwischen zwei Bäumen gespannt. Es gibt surrend nach, im nächsten Augenblick katapultiert es den 26-Jährigen wieder in den Himmel.
Weitere Kunststückchen folgen: Mal hält er sich an der Leine fest, mal landet er mit dem Oberkörper auf ihr. Jetzt noch einen Salto? „Nein, nein“, sagt Blumenstein, nachdem er seine Sprungeinlage beendet hat. „So weit bin ich noch nicht.“
Vor einem Jahr erst habe er mit dem Gehüpfe begonnen, das derzeit eine der angesagtesten Trendsportarten ist. Slackline heißt sie, und überall, wo es grün ist und mindestens zwei Bäume stehen, sieht man Leute „slacken“ - so lautet das zugehörige Verb.
Das Wort kommt aus dem Englischen und steht sowohl für den Sport als auch für sein wichtigstes Arbeitsgerät: die Slackline. Übersetzt müsste man die als „Durchhängeleine“ bezeichnen.
Seine Leine hat Felix Blumenstein am Donnerstagnachmittag auf der Peißnitz gespannt. Mit ihm haben sich noch gut 20 weitere Seilakrobaten in dem Park im Herzen von Halle versammelt und eine Baumgruppe für sich in Beschlag genommen.
Zwischen den Stämmen spannt sich dort nun ein Netz bunter Strippen. Slacklines sehen ungefähr so aus wie die Bänder, die manch einer auf Reisen um seinen Koffer schnallt, damit der besser zusammenhält. Nur ist das Sportgerät weitaus strapazierfähiger.
Beim Springen lasten bis zu 1.000 Kilogramm auf einem Band. Man könnte also auch einen Kleinwagen darauf stellen, ohne dass es reißt.
Mit der Grundform fangen die meisten Slackliner an. Sie hängt in Knie- oder Hüfthöhe, ist zehn bis 15 Meter lang und man kann auf ihr balancieren oder sich drehen. Kleine Sprünge sind auch möglich.
Die ist deutlich fester gespannt und wirkt deswegen wie ein Katapult. Sprünge von bis zu sieben Metern werden so möglich.
Sie liegt auf der Spannungsskala entgegengesetzt. Sie hängt durch, was das Laufen auf ihr wesentlich herausfordernder macht. Besonders beliebt ist auf ihr das Surfen. Dabei schwingt man auf dem Band hin und her, als würde man durch Wasser gleiten.
An sich ist das eine normale Low-Line, die über Wasser gespannt wird. Allerdings soll der Untergrund einen großen Unterschied ausmachen. „Es ist ein komplett anderes Gefühl, wenn unter dir Wasser strömt“, sagt Felix Blumenstein, Slackliner aus Halle.
Hier spielen die Umstände auch eine wichtige Rolle. Die wird nämlich weit oben gespannt. Natürlich mit Sicherung. Möglichkeiten dafür gibt es in Sachsen-Anhalt bisher zum Beispiel im Steinbruch in Lobejün.
Es sind sehr lange Highlines. Etwa ab 50 Meter beginnt eine Longline. Die Herausforderung ist es, über die gesamte Strecke konzentriert zu bleiben. Meisterlich sind darin die Franzosen Nathan Paulin und Danny Mensik. Die haben gerade gemeinsam eine 1.020 Meter lange Leine bezwungen. Weltrekord.
Gesprungen wird allerdings nicht bei jeder der zig Arten des Slackens. In der Grundform geht es vor allem ums Balancieren. Damit hat auch Blumenstein begonnen. „Ich hatte im Mai 2015 meinem Mitbewohner eine Slackline geschenkt“, erzählt der gelernte Landschaftsbauer, der eine Ausbildung zum Erzieher beginnen will.
„Dann habe ich mich selber darauf gestellt und dachte: Geil. Das ist irgendwie cool.“ Es folgt der erste Schritt, der zweite, dann die gesamte, 15 Meter lange Leine. Drehungen und kleine Figuren kommen dazu. Und dann die Sprünge. Blumenstein ist infiziert.
Allerdings steht er anfangs recht alleine auf der Leine. „Es gab noch keine richtige Szene“, erzählt der 26-Jährige. Doch nach und nach findet er Gleichgesinnte.
Im Februar gründet Blumenstein mit sechs anderen den ersten Slackline-Verein in Sachsen-Anhalt. Sein Name ist naheliegend: Slackline Halle e.V..
Und der Verein zieht an. „Im letzten Jahr habe ich hier alleine angefangen“, sagt Blumenstein. „Und wenn man sich jetzt umguckt: Es werden immer mehr.“
Slackline ist Trend und als Sport noch jung. Es gibt erste Weltmeisterschaften und internationale Turnierserien. Die Geschichte der Leinenakrobatik begann allerdings schon vor weit mehr als 30 Jahren.
„Und sie hat nichts mit Seiltanz zu tun“, sagt Blumenstein. Das sei immer der erste Gedanke. Und zugegeben: Wenn man Slackliner mit beiden Armen nach Gleichgewicht rudernd über eines ihrer Bänder laufen sieht, dann erinnert das schon an die Zirkusartistik.
Sorge um die Bäume
„Entstanden ist das Slacken allerdings im Klettersport“, erzählt Blumenstein. Mitte der 80er Jahre war das. Damals begannen die Bergsteiger, sich die Zeit an schlechten Tagen damit zu vertreiben, über gespannte Leinen zu laufen.
Das trainierte Fähigkeiten, die sie auch für das Klettern brauchten: Körperbeherrschung, Konzentration und Präzision. Das zieht auch heute die zumeist jungen Slackliner an.
„Die Balance zu halten, ist am Anfang extrem schwer“, erklärt Blumenstein die Faszination. „Doch nach und nach lernt man, oben zu bleiben und auch Tricks zu machen.“ Ganz ohne Blessuren geht es dabei allerdings nicht ab.
„Wenn man auf der normalen Leine läuft, passiert nicht viel.“ Sobald aber Sprünge dazu kämen, werde es schon gefährlicher. Prellungen und Schürfwunden habe er sich bereits geholt. „Aber ohne das Risiko geht es nicht, das ist ja bei vielen Sportarten so.“
Zu schlimmeren Unfällen kam es bei den Leinenläufern aus Halle noch nicht. Aber im Internet gebe es Videos, auf denen zu sehen sei, wie voll gespannte Strippen reißen, erzählt einer der Peißnitz-Slackliner.
Gefährlich sei dabei vor allem die Ratsche, mit der die Strippe festgezogen werde. „Wenn die einem gegen das Schienbein schnipst, dann ist es dahin.“
Damit das nicht passiert, gibt es mittlerweile auch Sicherheitssysteme. Und Leinen, die besonders hohe Kräfte aushalten müssen, werden mit Flaschenzügen gespannt. Da ist die Verletzungsgefahr geringer.
Viele Beobachter machen sich allerdings weniger um die Menschen auf der Leine Gedanken, als viel mehr um die Bäume, um die sie ihre bunten Bänder binden.
„Die Frage, ob Slackline den Bäumen schadet, kommt schon oft“, sagt Blumenstein und geht zu dem Baum, um den seine Spring-Leine gespannt ist.
Dort zeigt er auf ein Stückchen grünen Kunstrasen, dass unter der Befestigung angebracht wurde. „Das ist unser Stammschutz, den benutzt hier jeder“, sagt er. Damit soll verhindert werden, dass Rinde oder Borke kaputt geht.
Und zu den Langzeitschäden haben die Slackliner so ihre eigenen Theorien. Einer sagt, dass es den Bäumen ja nur gut tun kann, wenn man sie ab und an durchrüttelt. „Da bilden sie stärkere Wurzeln aus und werden standfester.“
Allerdings gibt es bisher noch keine umfassenden wissenschaftlichen Studien zu dem Thema. Für Felix Blumenstein zählt deswegen bisher der Augenschein. Er legt seine Hand an den Stamm, um den seine Leine gespannt ist. „Den Baum benutze ich jetzt seit mehr als einem Jahr mehrmals in der Woche“, sagt er. Offensichtliche Schäden gebe es bisher keine.
Dann schwingt sich Felix Blumenstein wieder auf die Leine, um die nächste Sprungeinlage zu starten. Zuvor erzählt er aber noch von einem neuerlichen Rekord. „Ein Slackliner hat einen Dreifach-Salto gestanden“, sagt der 26-Jährige und wirkt dabei, als wolle er das irgendwann auch mal schaffen. (mz)