1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Sklaverei-Prozess in Halle: Sklaverei-Prozess in Halle: Frau verurteilt zu sechs Jahren Haft

Sklaverei-Prozess in Halle Sklaverei-Prozess in Halle: Frau verurteilt zu sechs Jahren Haft

Von Katrin Löwe 15.03.2016, 11:06
Statue der Justitia, der römischen Göttin der Justiz und der Gerechtigkeit.
Statue der Justitia, der römischen Göttin der Justiz und der Gerechtigkeit. dpa/Symbol

Halle (Saale) - Das blonde Haar steckt unter einem Basecap, die viel zu großen Hände - vermutlich Folge schwerer Feldarbeit - sind auf dem Tisch verschränkt. Als „Sklavenmädchen“ hat Bettina S. 2012 bei ihrer Befreiung durch die Polizei in Bosnien Schlagzeilen gemacht. Jetzt, fast vier Jahre später, verfolgt die inzwischen 22-Jährige im Landgericht Halle regungslos das Urteil gegen ihre eigene Mutter: Sechs Jahre soll Christine M. in Haft, weil sie das Leid der Tochter jahrelang ignorierte. Verurteilt wird sie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung durch Unterlassen.

Elfjährige nach Bosnien gebracht

„Sie haben Ihre Tochter da schlicht verkommen lassen“, hält der Vorsitzende Richter Detlev Bortfeldt der Angeklagten vor. Christine M. hatte die damals Elfjährige 2004 zu ihrem zweiten Ehemann und dessen Familie nach Bosnien gebracht - und sie dort zurückgelassen, wenn sie zur Saisonarbeit nach Österreich ging.

„Unfassbares Martyrium“

Sowohl für die Anklage als auch für das Gericht hat sich das „unfassbare Martyrium“ des Mädchens in den bosnischen Bergen bestätigt. Sie habe keinen Zweifel, dass dessen Aussagen stimmen, sagt Staatsanwältin Antje Georg. Dass Bettina von Mitgliedern der bosnischen Familie mit Stöcken, Besenstielen, Kabeln und Eisenstangen geschlagen wurde, 3 Uhr aufstehen musste, um Feuerholz zu holen, für schwere Feldarbeit missbraucht wurde, nie Frühstück und mittags nur Reste vom Vortag bekam. Dass sie ab und an in ihrer Not Tierfutter aß, ohne Decke auf dem blanken Boden schlafen musste. Dass sie keine Schule besuchen durfte, trotz Verletzungen nie einen Arzt gesehen hat. „Sie müssen das mitgekriegt haben“, hält Georg der Angeklagten vor. Bettina wog 2012 noch 40 Kilogramm.

Mutter seien Verhältnisse bekannt gewesen

Das Urteil des Gerichts entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Bettina sei praktisch wie eine Sklavin gehalten und nicht nur gelegentlich geschlagen worden. Der Mutter seien auch die Verhältnisse bekannt gewesen, in denen ihre Tochter lebte, sagt der Richter. Sie habe sich nur nicht darum gekümmert - aus Sorge, ihren Mann und den neuen Lebensmittelpunkt zu verlieren. Die Kammer geht davon aus, dass Bettina mindestens seit 2006 misshandelt wurde. Die Schäden für sie seien „völlig irreparabel“ - im Prozess war von erheblichen psychischen und intellektuellen Folgen, einer leichten geistigen Behinderung, die Rede. Bettina gilt als nicht arbeitsfähig. Ihr bosnischer Stiefvater war 2013 in seiner Heimat zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.

Vorwürfe bestritten

Die Mutter hatte zum Prozessauftakt in Halle noch alle Vorwürfe bestritten, Bettina sei es in Bosnien gut gegangen. Ihr Verteidiger zweifelt indes an, dass die 59-Jährige aufgrund eigener Defizite überhaupt in der Lage war zu erkennen, dass sie hätte handeln müssen. Er hat Freispruch gefordert.

Bettina selbst hat im Prozess anders als in früheren Aussagen ihre Mutter nicht belastet. Sie wünsche aber, sagt ihr Anwalt in seinem Plädoyer, dass Christine M. zur Verantwortung gezogen wird. Das Gericht verurteilt die Mutter später auch zu 75.000 Euro Schmerzensgeld. Da sie mittellos ist, bleibt offen, ob Bettina das je sehen wird. (mz)