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Silvester in Halle Silvester in Halle: So haben die Flüchtlinge den Jahreswechsel gefeiert

Von michael tempel 01.01.2016, 18:44
Die Familie von Kainat Alkosay (3.v.l.) aus Afghanistan begrüßt in der Unterkunft in Neustadt das (deutsche) neue Jahr mit Wunderkerzen.
Die Familie von Kainat Alkosay (3.v.l.) aus Afghanistan begrüßt in der Unterkunft in Neustadt das (deutsche) neue Jahr mit Wunderkerzen. lutz winkler Lizenz

Halle (Saale) - Das neue Jahr ist für die rund 4 400 Flüchtlinge in Halle mit Hoffnungen verbunden: dass die Krisen in ihrer Heimat überwunden werden oder dass sie in Deutschland die Chance für ein Leben in Wohlstand bekommen. Genau genommen hat für viele der Flüchtlinge, konkret die Muslime unter ihnen, allerdings kein neues Jahr begonnen. Denn sie leben nach einer anderen Zeitrechnung. Ist Silvester für sie ausgefallen?

Die 21-jährige Kainat Alkosay aus Afghanistan lebt seit Oktober mit ihrem Vater Hamed Ullah, sieben Geschwistern und einem Cousin in Halle. Wie die junge Frau in gutem Englisch erzählt, haben insbesondere ihre Brüder mit begeistertem Interesse verfolgt, wie die Deutschen mit Feuerwerk und Böllern den Jahreswechsel begehen. „Wir sind noch dabei, die Kultur hier kennenzulernen“, sagt sie lächelnd. Nach dem afghanischen Kalender schreibe man das Jahr 1394. Der Jahreswechsel samt ausgiebiger Feste stehe in dem muslimisch geprägten Land erst im Juli bevor. Dem deutschen Silvesterbrauch habe sich die Familie angelehnt, indem man sich am Donnerstag in der Unterkunft in Neustadt zu einem Festessen mit Reis und Hühnchen und Süßigkeiten getroffen habe. „Um Mitternacht waren wir auf dem Marktplatz und haben dem Feuerwerk zugeschaut“, so Kainat Alkosay. Die Familie hatte nach ihrer Schilderung die Heimat verlassen, weil der 58-jährige Vater als ehemaliger Soldat während der Sowjet-Besatzung jetzt Ärger mit den Taliban befürchten musste. Die Mutter sei wegen Krankheit zu Hause geblieben.

"Zu gefährlich und zu teuer"

Während die einheimischen Anwohner der Ludwig-Wucherer-Straße mit Raketen, Fontänen und Knallern das neue Jahr begrüßt haben, ist es in der örtlichen privaten Flüchtlingsunterkunft ruhiggeblieben. Wie Hussein Bilal aus dem Niger sagt, haben er und seine vornehmlich ebenfalls aus Afrika stammenden Mitbewohner gemeinsam Fernsehen geschaut. „In meinem Land sind die Allermeisten Muslime. Nur die Christen begehen am 31. Dezember den Jahreswechsel“, sagt Bilal. Er sei erstmals mit dem Silvesterbrauch in Berührung gekommen. „Das Feuerwerk ist mir zu gefährlich und zu teuer“, sagt Balil. Seit sechs Monaten lebt er in Halle. Am Freitag hat er seinen 19. Geburtstag gefeiert. „Ich wünsche mir, dass mein Traum in Erfüllung geht.“ Damit meint er eine Perspektive auf ein auskömmliches Leben - vielleicht als Fahrradmechaniker, in dem Beruf, den er erlernt habe.

Silvester in der Flüchtlingsherberge am Hauptbahnhof ist indes als Pizza-Party mit etwa zehn Teilnehmern gelaufen. Eines der Appartements dort bewohnt der Iraner Hussein mit seiner Frau und der elfjährigen Tochter. Seit mehr als einem Jahr sind die Drei in Halle. „Im vorigen Jahr haben wir Silvester zum ersten Mal miterlebt. Vom Feuerwerk waren wir begeistert.“ Diesmal hat die Familie schon selbst kräftig mitgefeiert, obwohl der Jahreswechsel im Iran erst Mitte März begangen werde. „Wir haben mit unserer Tochter Feuerwerkskörper gekauft“, berichtet Hussein lächelnd. Seinen kompletten Namen will der Mittdreißiger, der schon gut Deutsch spricht, nicht nennen. Aus Angst vor Repressionen der iranischen Behörden gegenüber seinen daheimgebliebenen Angehörigen, wie er sagt. Im Iran habe er mit seiner Frau eine IT-Firma betrieben. In dem konservativ-muslimischen Land seien die wirtschaftlichen und persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten aber beschränkt gewesen, so Hussein. „Wir wollen in Deutschland frei leben und Geld verdienen.“ Hussein hofft, bald eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Kontakte zu interessierten Firmen, die ihn einstellen würden, gebe es bereits. (mz)