Halle ehrt das Ehrenamt Sie sind für andere da: Eine Kirche mit Hunderten Helden
In der Konzerthalle wurden Donnerstagabend Hunderte Ehrenamtliche für ihr Engagement gewürdigt – stellvertretend für Zehntausende in der Stadt. Was ein Rollstuhlfahrer kritisiert.
Halle (Saale)/MZ - Uwe Willamowski ist für seine Schlagfertigkeit bekannt. Als Halles Bürgermeister Egbert Geier (SPD) den engagierten Rollstuhlfahrer am Donnerstagabend in der Ulrichskirche nach der Barrierefreiheit auf dem Weihnachtsmarkt fragt, sagt Willamowski: „Der Glühwein ist nicht barrierefrei. Zumindest dann nicht, je mehr man davon trinkt.“
In der proppevollen Konzerthalle, in der sich am Tag des Ehrenamts Hunderte Freiwillige versammelt haben, hat das Mitglied im Behindertenbeirat der Stadt damit die Lacher auf seiner Seite. Und Willamowski scheut sich auch nicht, den Bürgermeister auf Missstände hinzuweisen. Dass der Fahrstuhl im Ratshof nicht funktioniere, sei für Menschen wie ihn natürlich schlecht. Es hake an Ersatzteilen, meint daraufhin Geier.
447 Helden des Alltags, die zumeist still und ohne viel Tamtam in Vereinen sich für andere engagieren, sind für die Ehrenamtskarte nominiert worden. Als Dankeschön für ihren Dienst am Allgemeinwohl können sie im nächsten Jahr dank der Unterstützung durch Sponsoren die Vielfalt Halles kennenlernen – beim Eishockey oder Fußball beispielsweise, aber auch bei Konzerten.
Zu ihnen gehört Enrico Schönewolf von der Freiwilligenagentur. Der 38-Jährige hilft Senioren, sich im digitalen Alltag zurechtzufinden, Smartphones oder Computer zu nutzen. „Für mich fing es damit an, dass mich ein Rentner fragte, wie er den Facebook-Account seiner verstorbenen Frau löschen kann. Ich wusste es auch nicht.“ Heute zeigt er älteren Menschen, wie sie beispielsweise ein Online-Ticket für eine Straßenbahnfahrt bei der Havag buchen können. Die Nachfrage sei hoch, doch da stoße das Ehrenamt auch an seine Grenzen. Viele Kurse seien vormittags, für Berufstätige, die helfen wollen, ein Problem. Schönewolf arbeitet bei der AOK.
Karen Leonhardt aus dem Leitungsteam der Freiwilligenagentur sieht genau darin eine der Herausforderungen für die Zukunft. „Das Ehrenamt verändert sich, die Angebotsvielfalt nimmt zu. Viele Vereine haben Schwierigkeiten, die Arbeit zu stemmen“, sagt sie. Das fange schon beim Verein selbst an. Mindestens drei Leute benötige man, so einen e.V. zu führen. Dafür Freiwillige zu finden, erweise sich oftmals als schwierig. Ansonsten stehe und falle das Ehrenamt mit der Begeisterungsfähigkeit. „Wenn man nur missgelaunt ist, wird man andere nicht begeistern können.“
Zum Glück für Halle leben noch genügend Fleißbienen in der Stadt, die unentgeltlich die Ärmel hochkrempeln. Wie viele es sind, lasse sich nur schätzen, meint Leonhardt. 30 Prozent der Bevölkerung könnten es sein, also nach der Zählart der Stadt, bei rund 240.000 Einwohnern, müssten es über 70.000 Ehrenamtliche sein.
Kein Wunder, dass die Politik um den Wert jener Menschen weiß. „Ohne Ehrenamt wären wir eine Stillstandsgesellschaft.“ Es bereite ihn Sorgen, dass immer mehr Menschen in der Anonymität des Internets versinken, meint Bürgermeister Geier. Sein Herausforderer bei der OB-Wahl, der parteilose Alexander Vogt, sieht es nicht anders: „Ob im Sport, in den Kirchengemeinden, im Hospiz, in Vereinen, der Jugend- und Seniorenarbeit, in den Freiwilligen Feuerwehren und an vielen anderen Stellen, sie bereichern nicht nur die Stadt, sondern sie sind unverzichtbar für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.“