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Selbsthilfegruppe «Restless-Legs-Syndrom» Selbsthilfegruppe «Restless-Legs-Syndrom»: Wenn die Beine keine Ruhe geben

Von Kai Gauselmann 11.11.2003, 17:15

Halle/MZ. - Nach einem langen, harten Tag die müden Beine hochlegen - das entspannt, tut gut. Nicht so bei Gerlinde Hellem. Bei ihr beginnt dann erst das Leiden. Die 64-Jährige hat ruhelose Beine, das so genannte "Restless-Legs-Syndrom". Das mag sich harmlos anhören. Doch sie sagt: "Ohne Medikamente wäre ich längst aus dem Fenster gesprungen."

Keine Wunden, kein Ausschlag. Was für die hallesche Rentnerin kaum auszuhalten ist, kann man von außen nicht sehen. "Wenn ich zur Ruhe kommen möchte, wenn ich ins Bett gehe, dann fängt es an." Zunächst ist es ein Kribbeln, "ganz innen in meinen Beinen". Dann beginnt es zu ziehen, und schließlich kommen die schlimmen Schmerzen. An Schlaf ist dann nicht mehr zu denken. Es ist so, als wollten ihre Beine mit aller Macht laufen, auch wenn Gerlinde Hellem das nicht will. Schließlich muss sie mitten in der Nacht herumlaufen, erst dann hören die Schmerzen endlich auf.

Einmal war es ganz extrem. "Ich bin drei Nächte lang nur gelaufen, gelaufen, gelaufen. Ich konnte nicht liegen, nicht einmal mehr sitzen - nicht für eine Minute." Zwar könne man am Restless-Legs-Syndrom (RLS) nicht sterben, "doch man ist immerzu erschöpft".

Und irgendwann kommt die Verzweiflung. "Es gab auch schon Leute, die haben in ihrer Verzweiflung den Arzt gebeten, er soll ihre Beine amputieren."

Die Ursachen dieser Erkrankungen liegen noch weitgehend im Dunkeln. Mediziner vermuten, dass eine Störung im Hirn oder im Rückenmark dafür verantwortlich ist. RLS kann in Folge von Nierenschäden, nach Schwangerschaften, durch Eisenmangel oder aber manchmal auch durch Schilddrüsen-Störungen auftreten.

Bei einigen Patienten folgern Experten aus der RLS-Häufung in ihren Familien, dass auch ein Gen-Defekt zu den unruhigen Beinen führen kann. Gerlinde Hellem gehört dazu. Auch ihre Mutter hatte RLS. "Die ist dreimal in der Nacht aufgestanden und herumgelaufen." Damals gab es noch keine helfenden Medikamente. Und am Ende, da ist sich die Rentnerin sicher, ist ihre Mutter gestorben, "weil ihre Kräfte einfach erschöpft waren".

Heute gibt es Medikamente, die zumindest für eine bestimmte Zeit Linderung verschaffen. Aber die machen nicht nur die Beine ruhig, sie haben auch starke Nebenwirkungen. Gerlinde Hellem wird gerade auf Opiate umgestellt. "Ich habe jetzt zum Beispiel Herzprobleme, und häufig ist mir übel." Doch das nehme sie in Kauf, um zumindest manchmal Ruhe zu haben, wie sie sagt.

Denn ihr Leiden bestimmt das gesamte Leben. Ins Theater oder ins Kino kann sie nicht gehen: "So lange kann ich nicht still sitzen." Autofahren fällt schwer, und mit einer U-Bahn fahren geht gar nicht: "Dieses Rattern - da geht es sofort wieder los."

Einmal ist sie nach Prag gereist, zwölf Stunden mit dem Bus. Das kann ohnehin eine Strapaze sein. Für Gerlinde Hellem war es das auf jeden Fall: "Ich habe die ganze Zeit gestanden."