Schwester Agnes und der Barbier Schwester Agnes und der Barbier: Der lange Weg bis zum Krankenhaus in Dölau

Halle (Saale) - Sie hieß Hildegard Flöß, handelte auf Anweisung der beiden Hausärzte Dr. Springer und Dr. Appelt und war die „Schwester Agnes“ von Dölau. Von 1950 bis 1981 war sie Gemeindeschwester. Rosel Picht kann sich - wie andere Bewohner des Stadtteils - daran erinnern, wie Schwester Hildegard mit ihrer Schwalbe durch den Ort fuhr, um Hausbesuche zu machen, wie sie immer auch Zeit für ein aufmunterndes Gespräch hatte und Rat in allen Lebensfragen gab.
Doch wie hat sich die medizinische Betreuung im Heidedorf im 20. Jahrhundert insgesamt entwickelt? Das hat Jörg-Thomas Wissenbach erforscht und viel Stoff für ein neues „Dölauer Heft“ zusammengetragen.
Hausarztversorgung in Dölau ab etwa 1900
Anfang April erscheint das 13. Heft der Reihe, dass das Thema der medizinischen Versorgung von unterschiedlichen Seiten beleuchtet. Es geht um die Hausarztversorgung ab etwa 1900, Dölauer Dentisten und Zahnärzte, Zweigstellen der Poliklinik, die Entwicklung nach der Wende, als sich wieder Ärzte niederließen, bis hin zu den aktuellen Arztpraxen. Es wird beschrieben, wie Ärzte, Hebammen, Gemeindeschwestern, Dentisten und Zahnärzte arbeiteten. Dazu werden Erinnerungen und Erlebnisberichten von Dölauern gestellt.
Da geht es um Dölaus ersten Hausarzt Dr. Hermann Hennicke, der ab 1904 niedergelassener Arzt war, aber auch Patienten in Lieskau, Lettin, Schiepzig, Brachwitz und Salzmünde hatte. Er war bis 1956 als Arzt tätig. Ab 1944 wurde er von dem aus Rumänien ausgewanderten Arzt Dr. Richard Appelt unterstützt, der die Praxis später übernahm.
Bis in die 1930er Jahre haben sich ältere Dölauer noch bei Barbier Louis Weber Zähne ziehen lassen
Auch die Geschichte der Zahnheilkunde in Dölau lässt staunen: Bis in die 1930er Jahre haben sich ältere Dölauer noch bei Barbier Louis Weber Zähne ziehen lassen. In den 20er Jahren hatte Dölau seinen ersten Dentisten, der den Zahnbohrer mit mechanischen Fußantrieb handhabte. Der erste richtige Zahnarzt war dann Georg Sperling.
Für Geburtshilfe waren einst die Hausärzte zuständig. Seit dem 19. Jahrhundert bis 1975 gab es aber auch sechs selbstständige Hebammen im Ort. Dazu kamen später Hebammen im Krankenhaus wie Brigitte Seifert, die zwischen 1960 und 1997 exakt 4.687 Kindern auf die Welt half.
Ab 1923 gab es in Dölau mit Fritz Naumann einen Homöopathen
Ab 1923 gab es in Dölau übrigens mit Fritz Naumann einen Homöopathen. Und die Meißner-Jette (1865 bis 1953) soll sogar spirituelle Heilkräfte besessen haben.
Ein besonderes Kapitel widmet sich den ersten Chefärzten des Dölauer Krankenhauses. Dieses Kapitel hat Dr. Christian Richter beigesteuert, der selbst Chefarzt und über 40 Jahre in der Chirurgischen Klinik in Dölau tätig war. 2015 hatte er bereits ein „Dölauer Heft“ zur Geschichte des Krankenhauses vorgelegt.
Dölau: Hausarzt oder Krankenhaus?
„Die Chefärzte hatten wir da weniger beachtet“, erzählt der Arzt im Ruhestand. Nun hat er sich den einstigen Chefärzten gewidmet, die Ende der 40er bis Ende der 50er Jahre ihre Tätigkeit aufnahmen, so wie beispielsweise Dr. Kurt Vogel, der im September auf Beschluss des Rates der „Landeshauptstadt Halle/S.“ zum Ärztlichen Direktor des Waldkrankenhauses und zum Chefarzt der Chirurgischen Klinik berufen wurde.
Schon 1926 wollte die Provinzialregierung Merseburg in Dölau eine Lungenheilstätte errichten. Doch daraus wurde nichts. Zehn Jahre später traten die Nationalsozialisten auf den Plan und baute das größte Luftwaffen-Lazarett am Waldrand auf. Das wurde nach dem Krieg Wald-, später Bezirkskrankenhaus. Heute ist es das Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau. Nicht nur dort, sondern auch im Ort Dölau selbst, leisteten Ärzte, Gemeindeschwestern und Hebammen wichtige Beiträge zur medizinischen Versorgung.
Ein anderes Beispiel ist Dr. Paul Blume, der als Chef der Kinderklinik drei Generationen von Kindern behandelte. 1957 wurde die Kinderklinik unter Blume eröffnet. Antje Leopold kann sich an ihn als den „Bettchen-Doktor“ in ihrer Kindheit erinnern. Sie war froh, wenn es bei einer Kinderkrankheit zum Hausarzt Dr. Appelt ging und nicht zu einer Konsultation zu Bettchen-Doktor Blume. So nannte sie den Chefarzt, weil sie dann mehrfach einige Zeit in der Kinderklinik verbringen musste.
Bei ansteckenden Krankheiten durften die Eltern nicht mal zur Besuchszeit ins Krankenzimmer
Bei ansteckenden Krankheiten durften die Eltern nicht mal zur kurzen offiziellen Besuchszeit ins Krankenzimmer kommen, sondern nur durch ein Fenster mit ihren Kindern sprechen.
„Eigentlich dachten wir nach dem 12. Dölauer Heft, es sei Schluss“, so Jörg-Thomas Wissenbach. Aber lokalgeschichtlich lässt sich stets Neues entdecken. „Zum Arzt muss jeder“, sagt Wissenbach und hofft auf viele Interessenten. Er hat schon das 14. Heft geplant, das im Herbst zur Einweihung des neuen Feuerwehrhauses erscheinen soll.
››Das 13. Dölauer Heft „Ärzte in Dölau“ wird am 10. April, 20 Uhr, im Waldhotel und am 9. Mai im Gemeindesaal Dölau vorgestellt. Wegen der großen Nachfrage ist ein Platzreservierung unter 0345/55089 89 notwendig. (mz)

