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Schorre soll altersgerechten Wohnungen weichen Schorre Halle: Konzertstätte soll altersgerechten Wohnungen weichen - Rollator statt Rock 'n' Roll?

Von Dirk Skrzypczak 26.11.2018, 09:15
Noch tanzen Elvis und die Bluesbrothers als Wahrzeichen über den Eingang der Schorre. Wie lange noch?
Noch tanzen Elvis und die Bluesbrothers als Wahrzeichen über den Eingang der Schorre. Wie lange noch? Lutz Winkler

Halle (Saale) - Am Samstagabend feierte die „Schorre“, Halles bekanntester Tanztempel, bei freiem Eintritt ihren 27. Geburtstag. War es der letzte? Ein Investor aus Leipzig hat das Gebäude erworben und offenbar andere Pläne mit dem Grundstück. „Er will dort Wohnungen bauen, auch altersgerecht. Aber dafür müsste die Schorre beseitigt werden“, sagt der hallesche Architekt Dieter Lehmann der MZ. Lehmann hatte den Kontakt zwischen Investor und Stadt vermittelt. „Die Planungen hat ein renommiertes Architekturbüro aus Berlin übernommen“, so Lehmann.

Offenbar wurden aber nicht nur Generationen von Hallensern, die mit dem Haus verbunden sind, durch die Nachricht kalt erwischt. „Auch wir sind geschockt über das, was mit der Schorre passieren soll“, sagt Uwe Helm, Eventmanager in dem Objekt. Derzeit könne man aber noch nicht mehr sagen. Auch nicht, wie lange die Schorre noch geöffnet sein wird. „Anfang der Woche gibt es mit allen Parteien einen Gesprächstermin.“

Schorre Halle: Haus seit Monaten verkauft

2010 hatte der Unternehmer Gerd Vleugels die Schorre für 600.000 Euro von der Stadt erworben. „Ich bin schon seit einigen Monaten nicht mehr der Besitzer der Immobilie. Ich hatte das Gebäude an eine Firma in Berlin verkauft. Mittlerweile gehört es einem Unternehmen aus Leipzig“, erklärt Vleugels am Sonntag auf MZ-Nachfrage. Die Schorre wollte er schon längere Zeit veräußern. „Ich bin Rentner und der Erlös ist meine Altersvorsorge.“ Deshalb habe er die Lokalität auch den Betreibern der Schorre angeboten. Sie hatten ein Vorkaufsrecht, dann allerdings seien Schwierigkeiten eingetreten.

„Seit März hatte ich deshalb einen neuen Käufer gesucht.“ Bis 2016 war Vleugels, der 1991 die ESG Getränkevertriebs-Gesellschaft gründete und noch immer Präsident des Halleschen Rennclubs ist, in Personalunion Besitzer und Betreiber der Schorre. 2016 ging die Schorre-Veranstaltungs-Gesellschaft allerdings in die Insolvenz und wurde aufgelöst. Seit September 2016 ist die Diskothek vermietet. Baris Eroglu, der sie seinerzeit pachtete und große Pläne hatte - er wollte beispielsweise Helene Fischer in die Schorre holen -, hat nach MZ-Informationen seit April dieses Jahres nichts mehr mit dem Tanztempel zu tun.

Schorre Halle ist ein „Ereignisdenkmal“

Unterdessen geht auch die SPD auf die Barrikaden. 1890, als das Ausflugsziel noch „Hofjäger“ hieß, trafen sich die Genossen hier zu ihrem ersten Parteitag nach dem Fall des Sozialistengesetzes. „An diesem Tag hat sich die SPD auch ihren Namen gegeben. August Bebel hat hier gesprochen, 1990 dann Johannes Rau. Die Schorre ist ein „Ereignisdenkmal“, sagt Stadtrat und SPD-Urgestein Rüdiger Fikentscher. Er kündigt Widerstand an. Ein Abriss komme nicht in Frage.

Architekt Dieter Lehmann hat sich mit den rechtlichen Gegebenheiten rund um die Schorre beschäftigt. „Sie liegt zwar im Denkmalbereich, ist aber selbst kein Baudenkmal“, sagt er. Allerdings benötige der Investor für alle Vorhaben die Genehmigung der Stadt. Erste Gespräche habe es schon gegeben. Der Eigentümer wisse um die geschichtliche Bedeutung und werde diesem Aspekt Rechnung tragen. Die Gedenkstele vor Ort könne man in ein Projekt einbinden.

Schorre Abriss: Das sagen Hallenser

Bei vielen Hallensern löste die Nachricht einen Schock aus. MZ-Leserin Anja N. kommentiert die Meldung auf der Facebook-Seite der MZ mit Galgenhumor. „Na dann heißt es doch für uns back to the roots. Die Jugend dort verbraucht und das Alter auch noch.“ Manuela E. kann es nicht glauben: „Es ist schon kaum was los in Halle, vor allem für die Jugend. Da wollen sie die Schorre auch noch dicht machen. Halleluja, die Stadt stirbt aus.“

Zumindest würde sie ein Stück Stadtgeschichte verlieren. Die Großen sind hier schon aufgetreten: Silly und Karat beispielsweise in der DDR, nach der Wende kamen die Toten Hosen, die Ärzte, Nirvana oder Rammstein. Es soll Pläne geben, mit der Schorre in ein anderes Gebäude zu ziehen. Doch genau in diesem Punkt sind viele Hallenser skeptisch. Die Schorre lasse sich nicht verpflanzen, meinen sie. (mz)