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Saale-Elster-Talbrücke Saale-Elster-Talbrücke: Rekordbrücke im Stresstest

Von michael tempel 18.08.2014, 06:50
Messingenieur Christian Vormann kontrolliert im Führerstand einer Lok die bei den Testfahrten erhobenen Daten.
Messingenieur Christian Vormann kontrolliert im Führerstand einer Lok die bei den Testfahrten erhobenen Daten. Jens Schlüter Lizenz

Halle (Saale) - Noch bis Mittwoch sind die Tage für Michael Felgner eine ganz besondere Zeit. Sein „Baby“ wird auf Herz und Nieren geprüft. Der Begriff Baby ist natürlich eine maßlose Verniedlichung. Denn der 64-jährige Ingenieur leitet für die Deutsche Bahn AG (DB) den Bau der mächtigen Saale-Elster-Talbrücke südlich der Stadt Halle. Das Bauwerk, über das ab Ende 2015 Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ ICE donnern sollen, gilt mit seiner Gesamtlänge von 8,5 Kilometern als größte Eisenbahnbrücke in ganz Europa. Nun wird die Brücke einem ersten Härtetest unterzogen.

Getragen von 216 bis zu 20 Meter hohen Betonpfeilern, überspannt die Brücke die Saale-Elster-Aue. Doch das mächtige Gebilde gerät am Sonntagvormittag erstmals gehörig ins Wanken und Vibrieren: Zwei jeweils 145 Meter lange und 1 000 Tonnen schwere Güterzüge rollen gemächlich über die Brücke. Die Schienen und die unzähligen sogenannten Stützpunkte, an denen sie am Brückenkörper befestigt sind, biegen sich unter der Last der beiden mit Schotter befüllten Züge durch. „Das ist normal“, winkt Felgner ab. Überhaupt kein Problem. „Das sind ja schließlich Schwerlastzüge, die sonst nicht hier fahren werden“, sagt Felgner. Die ICE-Züge brächten Gewichte von jeweils rund 250 bis 500 Tonnen auf die Schienen.

Die Brücke ist gespickt mit Messtechnik: Auf blauen Platten, die an bestimmten Stellen die Fugen zwischen Bauteilen abdecken, sind kleine blaue Boxen angebracht. Signalgeber, wie Felgner erklärt. An den Schienen sind zudem viele Kabel wie mit silbernem Klebeband befestigt. Bei dem „Klebeband“ handelt es sich um Messstreifen. „Damit erfassen wir Daten, die wir dann mit den theoretisch berechneten Werten abgleichen“, sagt Felgner. Es geht dabei um enorme Kräfte, die das Material dehnen, verschieben, verdrehen, verbiegen. „Die Brücke soll ja viele Jahre halten. Und wir müssen einschätzen, ob sie die Belastung aushält“, so Felgner. Gedanken daran, dass sich das Bauwerk als zu instabil erweisen sollte, verschwendet Felgner nicht: „Wir gehen davon aus, dass es keine bösen Überraschungen gibt.“ Heute sollen die Messungen unter anderem mit Bremstests fortgesetzt werden. Die Auswertung der Daten erfolgt in den kommenden Wochen. Neben der DB sind fünf Ingenieurbüros an dem Projekt beteiligt. Ab kommenden Montag sind sogar schon die geplanten Tests mit ICE möglich.

Bis zum Abend fahren die beiden Güterzüge 20 Mal nebeneinander hin und her. Das westliche Ende der Brücke befindet sich nahe der Rattmannsdorfer Teiche. Das östliche zwischen Halle-Osendorf und Döllnitz (Gemeinde Schkopau). Dazwischen quert die Brücke die Saale, die Bundesstraße 91, eine malerische Auenlandschaft mit Tümpeln und Schilffeldern, die Weiße Elster.

Auch die beiden Züge sind mit reichlich Messtechnik ausgestattet: So sind GPS-Sender an den Loks angebracht, mit denen mit Satellitenhilfe die Testfahrten zentimetergenau dokumentiert werden. „Wenn an der Brücke irgendein Messwert auftritt, der unerklärlich ist, kann genau nachvollzogen werden, an welcher Stelle er erfasst wurde“, erläutert Messingenieur Christian Vormann, der als Versuchsleiter auf einer der Dieselloks mitfährt. Zudem gehören Lichtschranken und Beschleunigungssensoren für die Bremstests zur Ausstattung an Bord.

Für Felgner, der in Radebeul bei Dresden wohnt und nächstes Jahr in Rente geht, ist die Saale-Elster-Talbrücke das letzte Großprojekt. Seit dem Baustart 2007 ist er dabei. „Das ist der krönende Abschluss meiner Karriere“, sagt er. Ende 2014 soll die riesige Anlage baulich fertiggestellt sein. „Es war auch das anspruchsvollste Projekt.“ (mz)

Dieser auf der Brücke angebrachte Signalgeber hilft, die Dehnung von Fugen einzuschätzen.
Dieser auf der Brücke angebrachte Signalgeber hilft, die Dehnung von Fugen einzuschätzen.
Jens Schlüter Lizenz