Ringen im Osten Ringen im Osten: Die Bastion bricht zusammen

Luckenwalde/Halle (Saale) - In Luckenwalde haben sie ihre ganz eigene Art, mit möglichen Zukunftsszenarien umzugehen. Motto: Erst einmal ruhig bleiben! „Noch ist nichts entschieden“, verlautete es aus der Geschäftsstelle des Ringer-Vereins 1. Luckenwalder SC - und man verwies auf die Vorstandssitzung am Abend und die Pressemitteilung, die heute herausgegeben werden sollte: „Dann wird man Näheres wissen.“
In der 20.000-Einwohner-Kleinstadt in Brandenburg versuchte man gestern zunächst, die Nerven zu bewahren. Gestern Nachmittag kam dann auch der Verein zu der Einsicht, dass Stillhalten nichts mehr bewirkt. Die Tendenz sei klar, sagte der Vorsitzende Christian Buddeweg und fügte an, die Abgänge von Top-Athleten und finanzielle Probleme seien die Gründe für den Rückzug.
Es ist ein Schritt mit erheblichen Folgen. Denn nicht nur Luckenwalde, sondern der gesamte Osten galt einst als Ringer-Hochburg. Vier Olympiasieger haben die DDR und die neuen Bundesländer hervorgebracht. Doch viele der alten Hochburgen, etwa in Halle, sind längst keine Schwerpunkt-Trainingszentren mehr. Es fehlt am Nachwuchs, am Geld, am Marketing.
KAV Mansfelder Land abgestiegen
Hinzu kommt, dass der zweite Ostverein der Bundesliga, der KAV Mansfelder Land, nach null Punkten in der Bundesliga Nord und ebenfalls null Punkten in der anschließenden Abstiegsrunde zuvor aus der höchsten deutschen Wettkampfklasse absteigen musste. Heißt: Dort ist kein Verein aus den neuen Bundesländern mehr vertreten. Erstmals seit 25 Jahren.
Entsprechend geknickt ist Bundestrainer Sven Thiele, der selbst aus Merseburg stammt und ein erfolgreicher Ringer war - er wurde Vizeweltmeister und 17 Mal deutscher Meister im Freistil. Sohn Erik kämpfte in der abgelaufenen Saison für die Mansfelder. Nun wird er den Verein verlassen und zu einem anderen Erstligisten wechseln. Zu welchem, das wollte er gestern noch nicht verraten.
„Das ist alles nicht schön“, sagte Sven Thiele und vermutete, dass der drohende Rückzug des Vereins, der zu DDR-Zeiten als SC Dynamo für Luckenwalde den Ruf als Ringer-Stadt begründete und 2006 deutscher Meister wurde, mit dem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust des Ringens zusammenhängt: „Alles konzentriert sich nur auf Fußball. Ringen braucht dringend eine Aufwertung.“
Bekommt sie aber nicht. Ursprünglich sollte Ringen gar aus dem olympischen Programm für 2020 genommen werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschied vor zwei Jahren, die antike Sportart aus dem Kreis der Kernsportarten zu werfen. Nur ein weltweiter Aufschrei - verbunden mit einer seltenen politischen Allianz zwischen den USA und Russland - verhinderte damals den Ausschluss aus den Spielen.
Doch allein die Tatsache, dass der Traditionssport nun zur Disposition steht, verhindere nach Ansicht von Sven Thiele, dass „sich junge Menschen für Ringen begeistern können“ und vergleicht die Situation mit der des Handballs: „Da hat die Europameisterschaft einen Boom ausgelöst. So etwas könnten wir auch einmal gebrauchen.“ Aber auch, weil die Hamburger Olympia-Bewerbung für die Spiele 2024 scheiterte, sei ein solcher Boom für Ringen kaum zu erwarten.
Verbände bedauern Rückzug
Und nun auch noch der Rückzug eines Traditionsvereins, der zur Unzeit kommt und nicht zur Besserung der Situation beiträgt. Auch Sportverbände haben das offenbar erkannt und brachten ihr Bedauern zum Ausdruck.
„Das ist ein harter Schlag für die Sportler und Fans“, heißt es in einer Erklärung des Ringerverbandes Brandenburg. „Für die Region ist das sehr schade“, meinte Andreas Gerlach, der Geschäftsführer des Brandenburger Landessportbundes. Nicht nur für die Region. (mz)