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  7. Reichardts Garten in Halle bedroht: Stadt plant Maßnahmen gegen Trockenheit

Schon Goethe ist hier flaniert Sorge um Reichardts Garten - grünes Idyll in Halle bedroht - was die Stadt nun plant

Die Parkanlage im Giebichensteinviertel in Halle (Saale)  gilt als die "Herberge der Romantik". Doch das grüne Idyll ist von Trockenheit bedroht. Deshalb arbeitet die Stadt an einem Rettungsplan.

Von Dirk Skrzypczak Aktualisiert: 20.06.2024, 10:52
In Reichardts Garten fallen Bäume der Trockenheit zum Opfer. Die Stadt arbeitet an einem Konzept, um Wasser in den Park zu bekommen.
In Reichardts Garten fallen Bäume der Trockenheit zum Opfer. Die Stadt arbeitet an einem Konzept, um Wasser in den Park zu bekommen. (Foto: Steffen Schellhorn)

Halle (Saale)/MZ - In Dichterkreisen ist sie die „Herberge der Romantik“, die Parkanlage Reichardts Garten im Giebichensteinviertel. Goethe, Novalis und Brentano waren im frühen 19. Jahrhundert Dauergäste des Komponisten Johann Friedrich Reichardt, der das Landgut Brunnstein 1791 kaufte und den Park nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten gestalten ließ. Gut 230 Jahre später ist Giebichensteins grüne Lunge aber mehr denn je bedroht.

„Der Klimawandel macht uns zu schaffen. Vor allem in der Hanglage fehlt das Wasser. Wir verlieren dort die alten Bäume“, sagt Simone Trettin, Leiterin für die Freiraumplanung in der Stadtverwaltung Halle. Im felsigen Untergrund sacke der Grundwasserspiegel ab.

Beim Spazierengehen auf den verwinkelten Wegen und Treppen fällt es vor allem den Experten auf: Der Baumbestand hat sich bereits stark gelichtet. Der Anteil des Trockenholzes nimmt zu. „Es ist ja nicht nur das fehlende Wasser. Die betroffenen Bäume sind geschwächt und werden anfällig für Krankheiten und Schädlinge.

Und als ob das nicht reicht, hatten wir in den vergangenen Jahren auch Sturmschäden im Park“, sagt Matthias Pester, Projektsteuerer im Team von Trettin. Viele der Bäume, vor allem Bergahorn, stammen noch aus der Gründerzeit.

Reichardts Garten in Gefahr: Wasser aus den Straßen soll helfen

Mit einem ausgeklügelten Plan soll der schleichende Tod von Reichardts Garten gestoppt werden. „Wir brauchen Wasser im Park“, sagt Trettin. Vorgesehen ist, Regeneinläufe in der Friedenstraße anzuzapfen. Schüttet es vom Himmel, fließt das Wasser nicht in die Kanalisation, sondern über Rohre in den Park. Dort sollen Rigolen und/oder ein Drainagesystem das Wasser im Hang halten.

Ob das tatsächlich funktioniert, kann keiner sagen. „Wir müssen es aber versuchen. Uns kommt entgegen, dass die Friedenstraße so eng ist, dass es dort keinen Winterdienst mit Streusalz gibt. Kommt Salz dazu, würde es nicht klappen“, sagt Trettin. Rund 1,4 Millionen Euro soll die Rettung von Reichardts Garten kosten, 1,2 Millionen Euro schießt der Bund aus dem Förderprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ zu.

Aus der Luft betrachtet, ist Halles Norden noch schön grün. In der Mitte des Bildes ist Reichardts Garten zu sehen.
Aus der Luft betrachtet, ist Halles Norden noch schön grün. In der Mitte des Bildes ist Reichardts Garten zu sehen.
(Foto: Steffen Schellhorn)

Ist alter Graben die Rettung für Reichardts Garten?

Doch mit der Hangbewässerung alleine ist es nicht getan. Auch im unteren Teil des Gartens entlang der Wittekindstraße ist es zu trocken. Zu trocken jedenfalls für die Staudenpflanzen, die den Park dort zieren sollen.

In alten Unterlagen sei die Lösung zu finden, erzählt Trettin. Früher gab es in der Nähe der Mauer im Park den Wittekindgraben. Überreste davon sieht man zwar nicht mehr, aber die Verwaltung will ihn wieder anlegen lassen – gespeist ebenfalls mit Regenwasser, dieses Mal aber aus der Wittekindstraße.

Dieses Gemälde zeigt Reichardts Garten um 1825. Damals war Giebichenstein noch eigenständig und die Gegend weitgehend unbebaut.
Dieses Gemälde zeigt Reichardts Garten um 1825. Damals war Giebichenstein noch eigenständig und die Gegend weitgehend unbebaut.
(Foto: Stadtarchiv)

Unklar ist noch, welche neuen Bäume das Totholz ersetzen sollen. Kandidaten gibt es einige. Die Branitzer Baumuniversität bei Cottbus etwa beschäftigt sich mit den Folgen des Klimawandels – auch der dortige Schlosspark ist betroffen. Anfang 2023 wurden in der „Pücklerallee“ dort erstmals alternative Eichen-Sorten angepflanzt, die ursprünglich aus wärmeren und trockeneren Gebieten Europas stammen. Ob Arten wie die Zerr-Eiche auch etwas für Reichardts Garten wären, soll in Abstimmung mit Denkmalschützern entschieden werden. „Wir können nicht einfach loslegen. Der Garten hat schließlich eine historische Bedeutung“, sagt Pester.

Allerdings sieht man dem Dichterparadies seine herausragende Stellung nicht an. Infotafeln und Skulpturen sind beschmiert, Wege und Treppen verschlissen. Deshalb soll Reichardts Garten auch aufgehübscht werden. „Wir werden Wege und Stufen sanieren. Und auch der Spielplatz soll erneuert werden“, kündigt Simone Trettin an. Doch dafür ist noch etwas Geduld gefragt. In diesem Jahr sollen die Planungen beginnen, 2025 die Stadträte dem Rettungskonzept zustimmen. 2026 könnte es dann losgehen.