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Frieder Simon hat Geburtstag Puppenspieler Frieder Simon: 80. Geburtstag vom Kasper aus Halle

Von Hartmut E. Lange 16.07.2016, 09:29
Puppenspieler Frieder Simon ist für einige der vielleicht beste Puppenspieler in ganz Deutschland.
Puppenspieler Frieder Simon ist für einige der vielleicht beste Puppenspieler in ganz Deutschland. MZ

Halle (Saale) - Eine Glocke läutet, sofort verstummt das aufgeregte Gemurmel im Saal. Kurz darauf bimmelt ein Glöckchen, es wird mucksmäuschenstill. Dann schiebt er seine spitze Nase zwischen den roten Samtvorhängen durch: der Kasper. Seid ihr alle da? Natürlich, großes Hallo, lauthals begrüßen die Kinder ihren Freund.

Und los geht’s: „Rumpelstilzchen“, „Das tapfere Schneiderlein“, „Der gestiefelte Kater“ oder „Der Froschkönig“. Wer das Larifari Theater nie erlebt hat, mag nicht glauben, dass all das, was da oben auf der kleinen Bühne passiert, von einer einzigen Person gemacht wird: Frieder Simon, der Herr und Meister dieser zauberhaften Ein-Mann-Show und einer der besten Puppenspieler des Landes, feiert am heutigen Samstag (16. Juli) seinen 80. Geburtstag.

Simon überrascht seinen Vater

Geboren 1936 in Leipzig hatte Simon bereits seit frühester Kindheit mit dem Kasper zu tun. Denn sein Vater, hauptberuflich Fernmeldetechniker bei der Post, war im Nebenberuf ein gefragter Puppenspieler. Von ihm lernte der Sohn das Handwerk, aber auch die hohe Kunst der Improvisation.

Nach einigen Praxisjahren als Tischler verschlug es ihn nach Halle. Simon studierte Industrielle Formgestaltung an der Burg Giebichenstein. Die Ausbildung blieb nicht folgenlos für das Puppenspiel, eines Tages überraschte er seinen Vater, mit dem er oft zusammen spielte, mit völlig neuen Figuren.

Der junge Designer hatte einen Gegenentwurf zu den bisher verwendeten Hohnsteiner Kasperpuppen vorgelegt. In seiner Gestaltung ging er weg von den naturalistischen Gesichtern, Reduktion war angesagt, klare Linien und Formen, echte Charakterköpfe entstanden. Die wunderschönen Kostüme entstammen der Werkstatt einer diplomierten Textilgestalterin, seiner Frau Barbara Simon, auch sie hat in Halle an der Burg studiert.

Geheimtipp der DDR

1973 hängte Simon den Designer-Beruf an den Nagel und widmete sich fortan ausschließlich dem Puppentheater. Mit Erfolg. Sein frecher Kasper und das unverwechselbare Larifari-Ensemble spielten sich in die Herzen der kleinen und großen Zuschauer.

1979 erhielt er eine Goldmedaille für Unterhaltungskunst des Kulturministeriums der DDR. Simon erlangte Kultstatus, mit seinen Erwachsenenstücken avancierte er zum Geheimtipp in der Kulturszene der DDR.

Kein Wunder, denn sein Kasper folgte der Jahrhunderte alten Tradition dieser Figur: Er war Sprachrohr der kleinen Leute, schimpfte auf Die-da-oben und prangerte Missstände an.

Honecker als Einschlafhilfe

Davon gab es genügend. Doch mit öffentlicher Kritik war das so eine Sache in der DDR, sie musste verpackt, getarnt, zwei- oder mehrdeutig präsentiert werden. Simon ist ein Meister des Wortspiels, ein Sprachakrobatiker, er weiß, wie man Botschaften zwischen den Zeilen transportiert.

Wenn sich sein Kasper auf der Bühne zur Ruhe bettete und mit der Zeitung des Landes, dem „Neuen Deutschland“, zudeckte, wurde es ganz still im Saal. Und wenn er dann, weil er nicht einschlafen konnte, einen Leitartikel vorlas oder alle Titel und Auszeichnungen des SED-Chefs im Duktus von Schäfchenzählen runter leierte, dann ertönte befreiendes Gelächter im Publikum.

Subtiler konnte man den alltäglichen Personenkult um den Großen Vorsitzenden aus dem Saarland nicht auf die Schippe nehmen. Damit erntete er aber nicht nur Beifall.

400 Seiten über den Kasper

Dass er sich im Visier der Stasi befand, hatte Simon geahnt, dass sie ihm aber so große Aufmerksamkeit geschenkt hatten, erstaunte ihn doch. 400 Seiten umfasst die Stasiakte mit der Überschrift „OPK Puppe“, in jeder Erwachsenenvorstellung saß ein MfS-Mitarbeiter - der Kasper war immer verdächtig.

Simon hat sich nicht nur um die eigene Bühne verdient gemacht, auch um das Ansehen des oft zu Unrecht unterschätzten Puppenspiels an sich: Er organisierte über viele Jahre das Puppentheaterfestival in Bad Lauchstädt, nach der Wende dann in Merseburg.

Wenn man sich heute in der Puppentheater-Szene umhört und fragt, wer der beste Handpuppenspieler im deutschsprachigen Raum ist, dann erhält man  – egal ob in Wien, Bern oder Berlin – immer dieselbe Antwort: Frieder Simon aus Halle. (mz)