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Prozess gegen Adrian Ursache Prozess gegen Adrian Ursache: Zwischen "Teilzeitrassisten" in der "Räuberhöhle"

Von Steffen Könau 01.03.2018, 14:30
Adrian Ursache im Gerichtssaal
Adrian Ursache im Gerichtssaal Steffen Könau

Halle (Saale) - Fünf Monate, und immer noch dasselbe Bild. Zu Beginn des 21. Verhandlungstages im Prozess wegen versuchten Mordes gegen den früheren Mister Germany und Solar-Unternehmer Adrian Ursache steht der Angeklagte neben seiner Bank und gibt eine Erklärung ab. Ursache wettert einmal mehr über den Rechtsstaat, der keiner sei, über das Gericht, das er für nicht zuständig hält, und die Richter und Staatsanwälte, die er zu „Teilzeitrassisten“ erklärt, während das Gericht selbst für eine „Räuberhöhle“ ist.

Man könne ihn nicht aburteilen, „weil es den Staat Deutschland nicht gibt“, sagt Ursache. Sein ganzes Verhalten an dem Tag, an dem ein SEK-Einsatzkommando sein Grundstück in Reuden (Elsteraue) stürmte und er angeschossen wurde, sei hingegen „legitimierte Notwehr“ gewesen. „ich habe die Eier und ich bin entschlossen, den Faschisten ihre Maske vom Gesicht zu reißen“, kündigt der 43-Jährige an, ehe er seine Anhänger auffordert, seine Worte „weiterzuleiten an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag“. Denn „diese Idioten in alberner Verkleidung hier“, Ursache meint das Gericht, seien nur „Darsteller in einer Doku-Soap“.

Prozess gegen Adrian Ursache: Waffenexperte vor Gericht

Die Tirade, in der Tonart noch einmal gesteigert, weißt schon auf das nahe Finale eines Verfahrens hin, das im Verlauf mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat. Um das Rätsel einer nach Ansicht der Staatsanwaltschaft von Ursache auf einen SEK-Mannes abgefeuerten Kugel zu lösen, die nur unvollständig im Kragen des Mannes gefunden worden war, ist LKA-Gutachter Axel Katein noch einmal geladen worden.

Der Waffenexperte hat das Verschwinden von 0,37 Gramm des insgesamt knapp über zwei Gramm wiegenden Kleinkaliber-Originalgeschosses Marke CCI Stinger untersucht, das im Halstuch des verletzten Polizisten gefunden worden war. Katein erklärt es mit einem Wegspritzen des weichen Bleimaterials beim Aufschlagen, da ihm die Schutzausrüstung des Beamten aber nicht vorgelegen habe, könne er das immer noch nur vermuten.

Verteidigung bringt ein einfaches Diabolo aus einem Luftgewehr ins Spiel

Warum ihm vom Ermittlungsführer nicht ein weitergehender Untersuchungsauftrag erteilt worden war, könne er nicht sagen. „Für mich ergab sich aus den Gesamtumständen nicht die Notwendigkeit, weitere Untersuchungen anzuregen.“ Erst durch den Prozessverlauf seien bei ihm weitere Fragen aufgetaucht. „Aber um das alles richtig zu klären, hätte man die Schüsse direkt nachstellen müssen.“

Die Verteidigung brachte als Ursprung des gefundenen Projektils ein einfaches Diabolo aus einem Luftgewehr ins Spiel, dessen Gewicht von 1,7 Gramm etwa dem des gefundenen Blei-Restes entspricht. Katein wollte sich dazu nicht einlassen, mit Diabolos habe er keine Erfahrung. Aufgrund der Spurenlage könne er recht sicher davon ausgehen, dass der Bleirest aus Ursaches Revolver Marke Arminus stamme.

Adrian Ursache von vier Kugeln aus einer Polizeiwaffe getroffen

Eine Aussage, die Verteidiger Dirk Magerl so nicht stehenlassen wollte. Der nach der Schießerei am 25. August 2016, bei der Ursache von vier Kugeln aus einer Polizeiwaffe getroffen worden war, gefundene Revolver könne nicht von seinem Mandanten benutzt worden sein, sagt der Anwalt aus Potsdam.

Die Trommel, bei der sich laut der Tatortfotos hinter dem Lauf eine völlig leere Kammer, in Drehrichtung daneben eine geladene Patrone und erst in der übernächsten Kammer ein leere Hülse befunden hätten, weise darauf hin, dass die Waffe entweder nicht benutzt oder später manipuliert worden sei. „Normalerweise müsste“, sagte Verteidiger Manuel Lüdtke, „direkt hinter dem Lauf die verschossene Hülse stecken“.

Rechtsmediziner hat Adrian Ursaches Wunden begutachtet

Der LKA-Experte stimmte dem zu. Wenn das, was die Fotos zeigten, zutreffe, „dann stimmt da irgendetwas nicht“. Bei einem Revolver rotiere eine leere Kammer nach einem abgefeuerten Schuss erst nach dem nächsten Spannen des Hahnes hinter den Lauf. Wie die auf den Fotos abgebildete Spurenlage zustandegekommen sein könne, wisse er auch nicht. „Die Leute von der Tatortgruppe wissen ja, was sie tun, die drehen nicht an der Trommel.“

Auch der zweite Sachverständige des Tages ist bereits zum zweiten Mal im Saal. Marko Weber vom Institut für Rechtsmedizin in Halle hat Ursaches Wunden begutachtet, jetzt ist er geladen, dem Gericht die medizinischen Unterlagen aus den Tagen nach der Zwangsräumung von Reuden nahezubringen. Weber kann jetzt Schussrichtungen genauer bestimmen. Den Wunsch der Verteidigung aber, Ursache zu attestieren, dass der nach den erhaltenen Treffern aus der Waffe des SEK-Mannes mit der Nummer ST 321 nicht mehr in der Lage gewesen sei, zurückzuschießen, kann Weber nicht erfüllen.

Adrian Ursache erlitt Trümmerbrüche im Unterarm

Ursache habe Trümmerbrüche im Unterarm erlitten, es gebe aber keine Röntgenaufnahmen vom Zustand vor der Operation, bei der dem Schwerverletzten ein sogenannter Fixateur Externe angepasst worden war, den er bis heute trägt. Für Weber unverständlicherweise: das kommt eigentlich nach ein paar Wochen ab.

Einen Hinweis darauf, warum sich Adrian Ursache seit mehr als anderthalb Jahren weigert, die Drahtkonstruktion abnehmen zu lassen, gab der Mediziner in einem Nebensatz. So hätten die Ärzte der Uni Leipzig, in der Ursache nach der Schießerei behandelt wurde, in ihren Berichten erwähnt, dass der Verdacht bestehe, der Patient leide unter einer Psychose mit Verdacht auf Schizophrenie.

Mehr dazu wird vermutlich der psychologische Bernd Langer vom Institut für Rechtspsychologie der Uni Halle sagen, der dem Prozessverlauf vom ersten Tag an folgt, um ein Gutachten über Ursaches Geisteszustand zu erstellen. Langer wird am nächsten Verhandlungstag gehört, für den übernächsten hat der Vorsitzende Richter Jan Stengel die Verteidigung aufgefordert, ihren Schlussvortrag vorzubereiten. (mz)