Phantombildzeichner bei der Polizei in Halle Phantombildzeichner bei der Polizei in Halle: Der Herr der Gesichter

Halle (Saale) - Mit nur ein paar Mausklicks kann Frank Pinzler aus dem Nichts Menschen erschaffen. Menschen, deren Gesichter eine Geschichte zu erzählen scheinen, weil sie eine große Narbe auf der Wange, Falten auf der Stirn oder einen traurigen Blick haben.
Jedes Mal, wenn sich der Kriminalhauptkommissar an den Computer setzt und aus 5.000 Nasen, Augenbrauen, Wangenknochen und Frisuren ein neues Phantombild zusammenstellt, ist es ein faszinierendes Schauspiel: Pinzler erschafft das Gesicht eines Menschen, den er noch nie gesehen hat. Er muss sich allein auf die Aussagen der Zeugen, die neben ihm sitzen, verlassen.
Seit 2003 ist er einer von zwei Phantombildzeichnern in der Polizeiinspektion Halle
Für den 58-Jährigen ist es alltägliche Arbeit, die schon Hunderten Verbrechern das Handwerk gelegt hat. Seit 2003 ist er einer von zwei Phantombildzeichnern in der Polizeiinspektion Halle. „Wir arbeiten für den ganzen Landessüden und helfen auch mal über Landesgrenzen hinweg aus“, sagt er. Pinzler trägt Brille, kariertes Hemd und Smartwatch. In der rechten Hand hält er manchmal einen elektronischen Stift, mit dem er die Phantombilder am Bildschirm eigenhändig verändern kann.
Doch meistens klickt er sich durch eine Datenbank, aus der er die Bestandteile eines Gesichts zieht. Die Datenband-Gesichter sind aus Datenschutzgründen keine echten Personen, sondern aus mindestens vier unterschiedlichen echten Köpfen zusammengestellt. „Ich gehe dann mit dem Zeugen ganz in Ruhe durch, was er sich gemerkt hat. Kommt zum Beispiel eine Nase auf einem Beispielbild der des Täters nahe, fixiere ich sie und alle weiteren Gesichter haben dann diese Nase“, erklärt er. So kommt Pinzler dem Täterbild Schritt für Schritt näher, bis der Zeuge sagt: „Das war er!“
„Die Erstellung dauert in der Regel zwei Stunden.“
Das könne mitunter auch emotionale Folgen haben, weiß der erfahrene Polizist. „Die Erstellung dauert in der Regel zwei Stunden. Aber ich hatte auch einen Fall, da habe ich mir zwei Tage Zeit genommen“, sagt er. „Es handelte sich um eine junge Frau, die vergewaltigt wurde. Wir mussten immer wieder unterbrechen, weil die Arbeit für die Zeugin so emotional und mental schwierig war.“
Rechtlich gesehen sei eine Phantombild-Zeichnung übrigens eine Zeugenvernehmung. Pinzler muss diejenigen, die ihm sagen, wie der Täter aussah, belehren. Wenn dem Zeugen beim Zeichnen noch etwas zur Tat einfallen sollte, nimmt der Polizist auch das auf. „Am Ende muss der Zeuge unterschreiben. Er hat immer das letzte Wort“, sagt Pinzler.
Anfertigen von Täter-Zeichnungen ist ein lange bekanntes Mittel der Polizei
Das Anfertigen von Täter-Zeichnungen ist ein lange bekanntes Mittel der Polizei. Schon zur Zeit der Industrialisierung und dem damit verbundenen Anstieg an Straftaten malten Künstler Ölgemälde von Tätern. Heute gebe es keinen seiner Kollegen, der ein komplettes Phantombild mit dem Stift zeichne. Alle nutzten den Computer, sagt Pinzler.
„Trotzdem sollte man in unserem Beruf schon eine Vorstellung von Gesichtern und Proportionen haben. Man muss die Zeugenaussagen mit den eigenen Kenntnissen der Anatomie in Einklang bringen.“ Auch er sei früher kein schlechter Zeichner gewesen.
Tag der offenen Tür des Polizeireviers Halle
Dass Zeugen auch Tage nach einer Straftat noch mitunter sehr genaue Angaben machen können und sich auch an Kleinigkeiten erinnern, sei nicht ungewöhnlich. „Wenn ich meine Frau aus der Erinnerung zeichnen sollte, würde ich wahrscheinlich hoffnungslos scheitern. Aber wenn man Opfer einer schweren Straftat wird, werden die Erinnerungen ganz anders im Gehirn abgelegt“, weiß Pinzler.
Wer ihm bei seiner Arbeit über die Schulter schauen will, hat dazu am Tag der offenen Tür des Polizeireviers Halle die Möglichkeit. Am Samstag, 21. September, können Besucher im Revier, An der Fliederwegkaserne 17, zwischen 10 und 15 Uhr hinter die Kulissen schauen. Vorführungen des Phantombildzeichners werden von 11 bis 12 und 14 bis 15 Uhr stattfinden. (mz)