Personalnot bei Straßenbahnfahrern? Personalnot bei Straßenbahnfahrern?: Wie die Situation bei der Havag in Halle ist

Halle (Saale) - Früh um 3 Uhr ist für Maximilian Ulbricht an diesem Tag die Nachtruhe vorbei. Kurz nach 4 Uhr beginnt seine Frühschicht im Nahverkehrsbetrieb Havag, dann muss der 21-Jährige seine Straßenbahn vom Betriebshof in der Freiimfelder Straße steuern. Ulbricht hat gute Laune. Ein Morgenmuffel ist er jedenfalls nicht. „Das gehört zu dem Job dazu, auch Arbeitszeiten an Wochenenden oder Feiertagen. Mir macht das nichts aus“, sagt der Hallenser.
Mitarbeiter wie Ulbricht sind für die Havag mittlerweile Gold wert - und für andere Verkehrsbetriebe auch. Der Kampf um die Fachkräfte macht vor Straßenbahnen und Bussen nicht halt. Erst vor wenigen Wochen titelte die „Leipziger Volkszeitung“, dass in der Messestadt mehr als 100 Busfahrer fehlen. Die Leipziger Verkehrsbetriebe werben deshalb auch in Spanien und Serbien um neues Personal.
Havag in Halle: „Bei uns ist die Personalnot nicht so extrem wie in Leipzig“
„Bei uns ist die Personalnot nicht so extrem wie in Leipzig“, sagt Jana Pönitsch, Leiterin für das Mitarbeitermanagement bei den Stadtwerken in Halle, die Havag ist eine Tochterfirma des städtischen Konzerns. Zum Stichtag 31. März hatte die Havag 372 aktive Fahrer im Dienst, 269 Tram- und 103 Busfahrer. Das Durchschnittsalter beträgt 49 Jahre. Offene Stellen, so erklärt Pönitsch gegenüber der MZ, gebe es nicht.
„Wir sind breit aufgestellt und arbeiten präventiv. Das heißt, wir haben eine Nachfolgeplanung und wissen genau, wann welcher Fahrer ausscheidet.“ Allerdings muss sich auch die Havag strecken, um Nachwuchs zu finden, der sich im Nahverkehr hinter das Steuer setzt. Unter der Hand heißt es, dass Azubis zunehmend bequemer werden. In Schichten und an Wochenenden zu arbeiten, ist nicht jedermanns Sache. Im Vergleich mit Leipzig ist Halle zudem in einer komfortableren Situation.
Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sind doppelt so groß wie die Havag
Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sind doppelt so groß wie die Havag und benötigen demzufolge auch mehr Personal. Das zeige sich auch in der Ausbildung, schildert Maximilian Ulbricht. Die Fachkräfte im Fahrbetrieb lernen an Berufsschulen in Schkeuditz und Paunsdorf. Drei Jahre dauert die Ausbildung. „Mitunter haben die Leipziger ganze Klassen alleine gestellt, weil sie einen hohen Personalbedarf haben“, sagt Ulbricht.
Der Öffentliche Nahverkehr in Halle wächst. Zahlen für 2018 liegen zwar noch nicht vor. 2017 allerdings hatte die Havag mit Bussen und Bahnen 54,9 Millionen Fahrgäste befördert, 1,1 Millionen mehr als noch in 2016. Seit 2014 gehen die Passagierzahlen nach oben. Zum Fuhrpark der Havag gehören 117 Straßenbahnen und 56 Busse. Die Tochterfirma der Stadtwerke hat 765 Mitarbeiter. Das Liniennetz im Stadtgebiet ist übrigens 330,5 Kilometer lang - 155,8 Kilometer entfallen auf Schienen. Und die Tram soll weiter wachsen. Die Stadt befasst sich mit einer Verlängerung der Straßenbahnlinie bis nach Heide-Nord. Einen konkreten Zeitplan gibt es noch nicht.
Die Havag jedenfalls hat permanent eine Ausschreibung für Straßenbahnfahrer laufen. „Und wir erhöhen unsere jährliche Ausbildungsquote auf das Maximum“, sagt Personal-Chefin Jana Pönitsch. Havag und LVB haben indes eine Gemeinsamkeit: Sie setzen verstärkt auf Quereinsteiger, um offene Stellen wieder besetzen zu können.
Straßenbahnfahrer in Halle: Schon als Zehnjähriger hatte er als Schaffner bei der Parkeisenbahn angefangen
Maximilian Ulbricht musste nicht geworben werden, er kam von alleine. Es ist eine Karriere wie im Bilderbuch, eine Geschichte zum Vorzeigen. Schon als Zehnjähriger hatte er als Schaffner bei der Parkeisenbahn angefangen. „Ich wollte schon immer Straßenbahnfahrer werden und habe mir meinen Traum erfüllt“, sagt er. Dann stiefelt er durch die Nacht zur Fahrzeughalle. Auf Gleis 22 parkt seine Tram.
15 Minuten dauert die Betriebsprüfung der Bahn: Türen auf und zu, den Füllstand des Sandes für die Bremsen checken, den Computer hochfahren. „Als Straßenbahnfahrer ist man Einzelkämpfer. Die Kollegen trifft man oft nur auf Schulungen“, sagt er. Dann rollt er los. Heute fährt Ulbricht die Linie 3 von Trotha nach Beesen. 40 Minuten dauert eine Tour. Wenn nichts stört. (mz)