Pauluskirche in Halle Pauluskirche in Halle: Anwohner wehren sich gegen Mobilfunk-Sendeanlage auf dem Dach

Halle (Saale)/MZ - Vor wenigen Tagen hat sich eine neue Bürgerinitiative im Paulusviertel gegründet: „Strahlkraft“ heißt sie. Der Name ist gleichermaßen Anspruch der Initiatoren wie Gegenstand ihres Protestes. Die Mitglieder fürchten gesundheitliche Schäden durch die große Mobilfunk-Sendeanlage im Dach des Kirchturmes. „Da stehen 37 Antennen von vier Netzbetreibern. Ein Mitarbeiter der Bundesnetzagentur, die diese Anlage überwacht, hat mir am Telefon gesagt, das Anlagen dieser Größe normalerweise auf freiem Feld stehen, aber nicht mitten in einem Wohngebiet“, sagt BI-Mitbegründerin Margit Jäschke.
Eine Anwohnerin habe mit einem privaten Messgerät, das als recht zuverlässig gelte, erschreckend hohe Werte gemessen, weit über den in anderen EU-Ländern festgelegten Grenzwerten. Der Grenzwert in Deutschland aber liege viel zu hoch. Nach dem Artikel in der MZ vor vier Wochen über den Protest bekomme sie aus ganz Deutschland zahlreiche E-Mails und Anrufe.
In Halle gibt es eine ähnliche Ballung von Sendeanlagen wie an der Pauluskirche noch am Zollrain 5 in Neustadt und Unterplan 5.
Im Technischen Rathaus (Hansering 15, Zimmer 305) besteht laut Stadt die Möglichkeit, Einsicht in die Standortbescheinigungen der Bundesnetzagentur für jede Anlage zu nehmen. Darin sind die maximalen Leistungen der Anlagen angegeben.
Informationen gibt es auch auf der Internetseite der
Bundesnetzagentur unter www.emf3.bundesnetzagentur.de.
Wie schädlich ist Mobilfunkstrahlung? Ist sie es überhaupt? Gutachten und Studien widersprechen einander. Die Debatte im Paulusviertel wird mit großer Schärfe vor allem durch jene Kritiker geführt, die sich in ihren Ängsten ignoriert fühlen. Diesem Eindruck möchte die Pauluskirchgemeinde entgegentreten. „Auch wenn wir davon ausgehen müssen, dass der Gesetzgeber seiner Verantwortung zum Schutz der Gesundheit nachkommt, nehmen wir die geäußerten Bedenken ernst“, sagt Pfarrer Christoph Eichert. Nach einem Gespräch mit Vertreterinnen der Bürgerinitiative „Strahlkraft“ habe man die vier Netzbetreiber der Antennen und die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde inzwischen um Stellungnahmen gebeten. „An Standorten, die die Bürgerinitiative benennt, sollen außerdem noch einmal Messungen vorgenommen werden. Möglichst noch im Juni ist vom Kirchenvorstand aus ein weiteres Gespräch mit der Bürgerinitiative geplant“, so Eichert.
Die angekündigte Messung soll allerdings einer der Netzbetreiber vornehmen, was Margit Jäschke indes rundweg ablehnt. Sie fordert stattdessen eine unabhängige Messung. Und ein Konzept, wie die Strahlung zu minimieren sei.
Wie Pfarrer Eichert sagt, gebe es auch das Angebot der Bundesnetzagentur, der Gemeinde ein Hochleistungsmessgerät zur Verfügung zu stellen. Man prüfe, wie und ob diese Messung dann von der Gemeinde gewährleistet werden könne.
Die Stadtverwaltung verweist Betroffene an die Bundesnetzagentur. Die Einflussmöglichkeiten der Kommune seien gering. „Mobilfunkanlagen der Größe, wie sie in dem Turmspitz der Kirche untergebracht sind, unterliegen nicht einmal der Baugenehmigungspflicht“, so Stadtsprecher Drago Bock. Im jüngsten Hauptausschuss des Stadtrates haben die Grünen inzwischen vorgeschlagen, eine Stellungnahme der Bundesnetzagentur zur Pauluskirche einzuholen beziehungsweise eine Messung anzuregen. Das werde man auch tun, so Halles Wirtschaftsbeigeordneter Wolfram Neumann.
Ab 2001 wurden unter dem Turmdach der Paulusgemeinde immer mehr Sendeanlagen installiert. Laut Kirchenvorstand sind nicht 37, sondern 14 Antennen installiert, die auf insgesamt 37 Frequenzen senden. Die Mieteinnahmen fließen in den Erhalt der denkmalgeschützten Pauluskirche. Die Verträge laufen jeweils 20 Jahre. Zu lösen wären sie wohl nur durch eine Überschreitung der Grenzwerte beziehungsweise durch die wissenschaftlichen Nachweis einer Gesundheitsschädigung. „Wir sind da auch ein bisschen ratlos“, sagt Pfarrer Christoph Eichert. „Je größer aber die Nutzung von Mobilfunk und mobilem Internet ist, desto größer auch die Sendeleistung der Anlagen. Bei geringerer Nutzung geht sie zurück.“ Die Alternative zur Sender-Konzentration im Dach der Kirche wäre die Streuung der Anlagen, die dann aber auch näher an den Wohnungen wären.