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Deutsche Geschichte Paddeln im Saale-Schaum: Fast vergessenes Foto belegt Umweltfrevel in der DDR

Durch einen MZ-Beitrag hat sich Jutta Lüderitz aus Halle an alte Fotos auf ihrem Dachboden erinnert. Eine besonders eindrückliche Aufnahme zu Umweltfrevel in der DDR ist jetzt Teil einer Ausstellung.

Von Annette Herold-Stolze Aktualisiert: 17.07.2024, 16:09
Das ist kein Schaumbad: Während eines Wettbewerbs im Kanuslalom bei Alsleben 1971 hat  Heinz Schaefer diese Szenerie auf der Saale fotografiert. Die Aufnahme ist jetzt in der Ausstellung zur Arbeit der Ökologischen Arbeitsgruppe Halle in der Petruskirche zu sehen.
Das ist kein Schaumbad: Während eines Wettbewerbs im Kanuslalom bei Alsleben 1971 hat Heinz Schaefer diese Szenerie auf der Saale fotografiert. Die Aufnahme ist jetzt in der Ausstellung zur Arbeit der Ökologischen Arbeitsgruppe Halle in der Petruskirche zu sehen. Foto: Archiv des Vereins Zeitgeschichte(n)

Halle (Saale)/MZ. - Da war die Mitteldeutsche Zeitung Erinnerungsstütze: Als Jutta Lüderitz am 3. Juni von der eben eröffneten Ausstellung über die Ökologische Arbeitsgruppe Halle (ÖAG) las, fielen ihr lange nicht zur Hand genommene Dokumente auf ihrem Dachboden ein. Darunter ein 53 Jahre altes Schwarzweißfoto. Ihr früherer Berufskollege und Sportsfreund Heinz Schaefer hat es im Mai 1971 während eines Kanuslalom-Wettbewerbs bei Alsleben aufgenommen.

Umweltverschmutzung in der DDR: Schäumende Saale und Frevel an der Natur

Den jungen Kanuten inmitten der schäumenden Saale öffentlich zu zeigen, das schien Jutta Lüderitz in der DDR der 1980er-Jahre nun doch hochriskant, dokumentierte es doch geduldeten Umweltfrevel in der DDR. „Ich habe gedacht, der alte Mann soll nicht in Gefahr geraten und es an mich genommen, um ihn nicht in Schwierigkeiten zu bringen“, erzählt sie über Heinz Schaefer, neben seiner Arbeit als Optiker sowohl Hobbykanute als auch Hobbyfotograf.

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Nach einer eintägigen Ausstellung seiner Bilder von dem Bootssport – im Buna-Kulturhaus oder in einem Bootshaus in Thüringen, daran kann sich Jutte Lüderitz nicht mehr genau erinnern – nahm sie das Foto an sich und lagerte es sicherheitshalber bei sich auf dem Dachboden. In diesem Sommer nun las sie den mit „Als die Saale schäumte“ überschriebenen MZ-Beitrag und gelangte zu der Überzeugung, dass jenes vergessene Foto in die ÖAG-Ausstellung in Kröllwitz gehörte. Und zum halleschen Verein Zeitgeschichte(n), der sich unter anderem die Dokumentierung von regionaler DDR-Geschichte zur Aufgabe gemacht hat.

Eindrucksvolles Zeugnis von Umweltverschmutzung in der DDR

„Wir wissen nicht, wer der junge Kanute ist“, sagt die Historikerin Anne Kupke-Neidhardt zu dem Foto. „Vielleicht erkennt ihn jemand.“ Die Aufnahme sei für den Verein schon deshalb von besonderem Wert, weil es die allgegenwärtige Verschmutzung der Saale zu DDR-Zeiten besonders eindrucksvoll zeige.

Dass es den Machthabern in der DDR nicht negativ auffiel, dürfte nach Einschätzung der Historikerin auch daran gelegen, dass Heinz Schaefer seine Fotos in der heimischen Dunkelkammer entwickelte. „So konnten sie auch nicht in einem Fotolabor aus dem Verkehr gezogen werden.“

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Heinz Schaefer, der lange in der oberen Steinstraße ein Optikergeschäft betrieb, ist 1994 mit 81 Jahren gestorben. Er gehörte zu den halleschen Kanu-Aktivisten der ersten Stunde, wie der Böllberger Sportverein ihn würdigt. Bereits 1929 habe Schaefer ein Faltboot besessen. Zusammen mit Walter Pretzsch organisierte er Vereinsangaben zufolge den Kanusport beim Kraftwerksverein Turbine in Trotha. 1946 habe er in einem Faltboot die Ostsee nach Schweden überquert und ab 1948 die Warnow als Paddelrevier erschlossen. Schaefer organisierte Training und Erholung für seine halleschen Sportsfreunde. Später wurde er zum Protagonisten für die Befahrung von Wildflüssen in und außerhalb Deutschlands.