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Deutschlands erstes Nichtraucherhaus Nichtraucherhaus zur Miete: Drei Jahre rauchfrei begeistert viele Hallenser

Von Oliver Müller-Lorey 30.05.2019, 04:00
Die Mieterin Edda Michels (Mitte) mit Steffen Blumenthal und Martina Beßler von der Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd.
Die Mieterin Edda Michels (Mitte) mit Steffen Blumenthal und Martina Beßler von der Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd. Silvio Kison

Halle (Saale) - Einen Aschenbecher sucht man in der Wohnung von Edda Michels vergeblich. Das liegt nicht nur daran, dass die Rentnerin Zeit ihres Lebens Nichtraucherin ist, sondern auch an dem Haus, in dem sie wohnt: Deutschlands erstem Nichtraucherhaus, in dem Zigaretten bei Bewohnern und Gästen strikt untersagt sind - sonst droht die Kündigung. Wenn sie rauchende Freunde zu Besuch hat, müssen die in den Garten.

Diskriminierung versus gesundheitsorientiert? 

Der moderne Komplex mit seinen 33 Wohnungen steht im Schwalbenweg im Süden der Stadt und wurde vor ziemlich genau drei Jahren, im Mai 2016, fertiggestellt. Deutschlandweit erweckte das Projekt der Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd damals Aufmerksamkeit, aber auch Zweifel, ob sich ein Rauchverbot juristisch halten könne, sollte ein Mieter dagegen verstoßen oder klagen.

Während die einen die gesundheitsorientierten Mietverträge lobten, sprachen andere von einer Diskriminierung der Raucher. „Aber bis heute gab es keine rechtliche Schwierigkeit“, sagt Martina Beßler, Prokuristin bei der Wohnungsgenossenschaft Süd. Werde ein Mieter oder ein Gast beim Rauchen erwischt, gebe es zunächst ein klärendes Gespräch, dann ein zweites. Sollte es einen dritten Verstoß geben, würde dem Mieter gekündigt. „Aber wir mussten noch kein einziges Gespräch führen“, so Beßler.

Nichtraucherhaus beliebt: alle Wohnungen vermietet

Zwar gebe es in jeder Wohnung eine Lüftungsanlage, an deren Filter man theoretisch erkennen könne, ob geraucht wurde, doch das sei überhaupt nicht nötig. Im Haus gebe es auch eine Art soziale Kontrolle. Raucher würden gar nicht erst einziehen.

Und wenn doch mal Besucher mit dem Drang zur Zigarette im Schwalbenweg vorbeikommen, können sie an einem speziellen Platz im Garten rauchen. Auch wirtschaftlich ist das Nichtraucherhaus für die Wohnungsgenossenschaft ein voller Erfolg. Alle Wohnungen sind vermietet, „und für alle Wohnungsgrößen haben wir Wartelisten“, sagt Beßler.

Leuchtturmprojekt für Halle

Dennoch ist das „Schwalbennest“ noch immer das einzige Nichtraucherhaus in Halle - und wohl auch in Deutschland. Für den Tumorexperten und Professor am Institut für molekulare Medizin der Uni Halle, Stephan Feller, ist das einerseits unverständlich, denn er sieht einen „riesigen Bedarf“ an Wohnungen in solchen „Gesundheitshäusern“, wie er sie nennt. Immerhin seien 70 Prozent aller Deutschen Nichtraucher, und Vermieter hätten durch das Ausrufen eines Rauchverbots keine Mehrkosten. „Im Gegenteil: Bei der Renovierung einer Raucherwohnung muss nicht selten der Putz abgeschlagen und der Boden erneuert werden“, weiß Feller.

„Andererseits gibt es Bedenken von Vermietern wegen der rechtlichen Situation“, sagt der Mediziner, der in Halle seit langem über die Gefahren des Rauchens aufklärt. „Ein Einheitsmietvertrag mit entsprechender Klausel ist nicht erlaubt. Die Vereinbarung über das Rauchverbot muss einzeln zwischen Mieter und Vermieter getroffen werden“, erklärt er. So hält es auch die Wohnungsgenossenschaft. Sie setzt in ihren Verträgen auf sogenannte Individualklauseln, die rechtssicher sein sollen.

Rauchfreie Wohnanlagen: Beispiel für die Zukunft?

Feller erwartet, dass in der Zukunft weitere Vermieter nachziehen werden. Immerhin habe Halle einen Präzedenzfall geschaffen, der es anderen leichter mache. „Halle hat mit dem Haus ein Leuchtturmprojekt geschaffen, dessen Potenzial leider noch nicht so gut genutzt wird.“ Gerade Halle, dem lange das Image der „grauen Diva“ anhaftete, müsse mehr auf derartige Gesundheitsthemen setzen.

Er selbst habe, als er von England nach Halle gezogen sei, um seine Arbeitsstelle anzunehmen, nicht von dem Nichtraucherhaus gewusst. „Sonst wäre mit Sicherheit auch ich dort eingezogen“, sagt der Mediziner. Auch wenn er selbst nie eine Zigarette in den Mund nehmen würde - gegen das Passivrauchen, etwa von Nachbarn, könne er sich nicht wehren. „Und wir gehen davon aus, dass etwa 3000 Menschen in Deutschland jedes Jahr durch das Passivrauchen sterben“, sagt er. (mz)

Die Mieterin Edda Michels (Mitte) mit Steffen Blumenthal und Martina Beßler von der Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd
Die Mieterin Edda Michels (Mitte) mit Steffen Blumenthal und Martina Beßler von der Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd
Silvio Kison