Nach der Kita abgeschoben Nach der Kita abgeschoben: Tränen um den kleinen Nersil

Halle (Saale) - Es ist ein warmer Tag Ende Mai. Der kleine Nersil sitzt mit seiner Schwester auf den Treppenstufen des Ratshofs in Halle und schleckt ein Eis. Zwei ganz normale Kinder, festgehalten von MZ-Fotograf Lutz Winkler. Vier Wochen später bewegt das Schicksal des Jungen nicht nur die Erzieherinnen der Kindertagesstätte „Luthergemeinde“, die Nersil seit zwei Jahren besuchte.
Am Donnerstagmorgen kam der Dreijährige mit seiner Mutter unter Begleitung der Polizei in die Kita, um sich zu verabschieden. Später am Tag wird die Familie in einer Sammelabschiebung vom Flughafen Leipzig-Halle außer Landes geflogen.
Es sind herzzerreißende Szenen
Es sind herzzerreißende Szenen, wie es Augenzeugen der MZ schildern. Die Erzieherinnen haben geweint, auch die Polizeibeamten sollen Tränen in den Augen gehabt haben. Es ist die Ohnmacht gegenüber dem Gesetz, dessen Notwendigkeit schwer zu verstehen ist, je mehr die persönliche Betroffenheit steigt.
„Als die Polizei früh vor der Tür stand, um die Familie abzuholen, hatte die Mutter darum gebeten, dass sie mit dem Jungen noch einmal in die Tagesstätte darf. Sie wollten Lebewohl sagen und persönliche Dinge abholen“, sagt Hendrik Kluge, Geschäftsführer im Zweckverband, der die evangelische Kindertagesstätte betreibt. „Ja, dem Team ist die Situation sehr nahe gegangen. Die anderen Kinder selbst haben nicht realisiert, was da gerade vor sich geht“, so der Geschäftsführer. Man werde aber mit den Kindern aber sprechen und mit ihnen das Erlebnis einordnen.
Fall beschäftigt auch Landtagsabgeordnete der Linken
„Als Luthergemeinde sind wir in der Flüchtlingshilfe stark engagiert. Wir unterstützen die Migranten beim Erlernen der Sprache und bei der Gestaltung der Freizeit. Insofern hatten wir auch zu dem Jungen und seiner Familie einen sehr engen Kontakt“, sagt Kluge.
Der Fall beschäftigt auch Henriette Quade, Landtagsabgeordnete der Linken aus Halle und migrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion: „Albanien gilt als sicheres Herkunftsland. Dass eine Abschiebung rechtmäßig sein soll, heißt nicht, dass sie gerecht ist. Es ändert nichts an ihrer Unmenschlichkeit.“ Wer habe etwas davon, dass die Familie nicht mehr in Halle leben könne?
Behörde fordert die Betroffenen schriftlich auf
Ob ein Asylantrag berechtigt ist oder nicht, entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wird ein Antrag abgelehnt, schaltet das Bundesamt die Ausländerbehörde der Kommunen ein, in diesem Fall die Stadt Halle. Die Behörde fordert die Betroffenen schriftlich auf, das Land freiwillig innerhalb von vier Wochen zu verlassen. Reagieren die Ausländer nicht darauf, wird die Zentrale Abschiebestelle des Landes eingeschaltet, die im Landesverwaltungsamt angesiedelt ist.
„Wir managen normalerweise die Rückkehr, kümmern uns um das Begleitpersonal und buchen die Flugtickets“, sagt Gabriele Städter, Sprecherin im Landesverwaltungsamt. Am Donnerstag führt das Innenministerium des Landes die Regie. Die Ausländerbehörde der Stadt Halle ist zwar eingeschaltet, die Organisation der Sammelrückführung liegt aber beim Land.
Integration wird in der Kindertagesstätte „Luthergemeinde“ groß geschrieben
In der Kindertagesstätte „Luthergemeinde“ werden 38 Kinder betreut, Integration wird groß geschrieben, betont Geschäftsführer Kluge. „Diese Einrichtung hat in unserem Zweckverband den höchsten Anteil von Migrantenkindern“, sagt Kluge.
Man mache bei der Betreuung keine Unterschiede. Jedes Kind werde gefördert. Mit den Eltern spreche man regelmäßig über die Entwicklung, auch die Kinder werden einbezogen. Die Mappe mit seinem Portfolio hat Nersil mitgenommen. In eine ungewisse Zukunft. (mz)

