1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Nach den Großfeuern in Halles Osten: Nach den Großfeuern in Halles Osten: Leichensuche in den Brandruinen

Nach den Großfeuern in Halles Osten Nach den Großfeuern in Halles Osten: Leichensuche in den Brandruinen

Von jan möbius 28.05.2015, 22:27
Verformte Träger, Beton-Abplatzungen , Farbveränderungen: Die Kriminalisten können im Brandschutt regelrecht lesen.
Verformte Träger, Beton-Abplatzungen , Farbveränderungen: Die Kriminalisten können im Brandschutt regelrecht lesen. Christian Gall Lizenz

Halle (Saale) - Es war nur eine kurze Nachricht, die für Ernüchterung in Halle gesorgt hat: Die Ursache für den Großbrand im Schlachthof an der Freiimfelder Straße werde sie wohl nicht aufklären können, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Durch das Feuer am Pfingstmontag seien alle Spuren in Rauch aufgegangen, Löschwasser und -schaum hätten das weggespült, was die Flammen übrig ließen. Trotzdem kehrten die Ermittler gestern noch einmal in den Schlachthof zurück - mit Hunden. Die Spezialisten auf vier Beinen sollten aber nicht mehr nach Brandbeschleunigern wie Benzin schnüffeln. Sind sind auf den Geruch von Leichen trainiert.

Brandstifter kann auch Opfer sein

Um es vorweg zu nehmen: Weder im Schlachthof am Vormittag noch in der abgebrannten Lagerhalle an der Reideburger Straße am Nachmittag haben die Leichenspürhunde am Donnerstag angeschlagen. „Wir sind auch nicht davon ausgegangen, dass sich Tote unter den Trümmern befinden“, sagte Polizeisprecherin Lisa Wirth gegenüber der MZ. Dennoch: „Wir wollten Sicherheit, dass nicht doch Personen während der Brände in den Hallen waren“, so Wirth. Obdachlose etwa, die für die Nacht in den verlassenen Objekten ein Dach über dem Kopf gesucht haben, hätten Opfer der Flammen werden können.

Nicht zuletzt aber auch der oder die Brandstifter - eingeschlossen vom selbst gelegten, schnell um sich greifenden Feuer. Was ihn oder sie angeht, hat die Polizei keine Hinweise. Im Schlachthof sind alle Spuren vernichtet, bei der Aufklärung kann nur noch „Kommissar Zufall“ helfen. Was die Brandursachenermittler in der komplett niedergebrannten Lagerhalle in der Reideburger Straße finden werden, wenn es dort noch etwas zu finden gibt, ist auch noch ungewiss. Erst gestern konnten die auf Feuer spezialisierten Kriminalisten damit beginnen, sich langsam durch die Brandreste zu tasten.

Arbeit in den Brandruinen

Und das machen sie während ihrer Arbeit in den Brandruinen im wahrsten Wortsinn. Denn auch in diesem Fall müssen sie mit Widrigkeiten kämpfen: Die Decke der Halle gab der Hitze kurz nach dem Eintreffen der ersten Feuerwehrfahrzeuge nach und verschüttete mögliche Spuren. Nun wird in erster Linie in einer Art Ausschlussverfahren gearbeitet. Soll heißen: Die Ermittler nehmen sich jede realistische Möglichkeit der Brandentstehung vor und untersuchen sämtliche infrage kommenden Systeme, etwa elektrische Anlagen, auf Spuren einer Betriebsstörung.

Werden keine Indizien gefunden, kann jene Version der Brandentstehung ausgeschlossen werden. Im Idealfall bleibt auf diese Weise nur eine einzige Ursachenvariante übrig. Natürlich wird im Brandschutt auch nach Spuren von Benzin oder anderen brennbaren Flüssigkeiten gesucht. Derlei Stoffe können mit Messgeräten aufgespürt und ebenfalls von speziell geschulten Hunden erschnüffelt werden.

Das Wühlen im Schutt der Halle an der Reideburger Straße dürfte für die Brandursachenermittler indes zur Sisyphus-Arbeit werden. Viel hat das Feuer auch in diesem Fall nicht übrig gelassen. Dennoch können die Ermittler an Farbresten oder an der Verformung von Stahlträgern Aussagen zu Verlauf und Entstehungsort des Feuers machen. Besser wären Holzbalken. Die Stärke der Verkohlung und deren Tiefe geben Aufschluss sogar zur Dauer, über die das Bauteil den Flammen ausgesetzt war. Mit ähnlichen Spuren können geschulte Brandermittler übrigens auch am Putz eines ausgebrannten Gebäudes den Lebenslauf des Feuers lesen.

Was Scherben verraten

Nicht zuletzt ist Brandursachenermittlung auch eine Art Scherbenlesen. Denn ob vor dem Feuer jemand in ein Gebäude eingebrochen ist oder eben auch nicht, lässt sich mit Glück an Glasscherben erkennen. Spitze Kanten deuten darauf hin, dass eine Scheibe vor dem Brand eingeschlagen wurde. Sind die Ränder hingegen abgerundet, ist die Wahrscheinlichkeit dafür groß, dass das Glas durch Hitze geborsten ist.

Und die Splitter können noch mehr über den Brandverlauf preisgeben: Liegen sie mit spitzen Kanten auf Ruß und Trümmern, hat die Feuerwehr die Fenster für die Löscharbeiten eingeschlagen. Ist der Boden unter den Scherben aber nicht verrußt, war ein Einbrecher vor dem Brand im Gebäude. (mz)