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Nach den Anschlägen in Amerika Nach den Anschlägen in Amerika: Tausende beten für die Terror-Opfer

Von Heidi Pohle und Martina Springer 12.09.2001, 17:59

Halle/MZ. - "Ich möchte mit meiner Trauer und Verzweiflung nicht allein sein", sagte eine junge Hallenserin, als sie am Mittwoch kurz vor 12 Uhr in der Marktkirche Platz nahm. So wie sie hatten zur gleichen Zeit Tausende Hallenser an Gedenk- und Fürbitt-Andachten in evangelischen und katholischen Kirchen teilgenommen, darunter sehr viele junge Leute. Sie alle, auch Nichtchristen, gedachten der Opfer der schrecklichen Terrorkatastrophe in den USA, beteten für sie und für jene Menschen, die Angehörige oder Freunde verloren haben. Als Punkt 12 Uhr alle Kirchenglocken Halles läuteten, schien die Stadt für Minuten in ihrem hektischen Treiben innezuhalten - es gab wohl niemanden, der in diesem Moment nicht in Gedanken bei dem amerikanischen Volk war.

Schon lange vor 12 Uhr strömten die Menschen in die Marktkirche, traurig, ergriffen, mit Tränen in den Augen. Ernst auch die Gesichter der Schüler und Azubis, die spontan entschieden hatten, an der Andacht teilzunehmen wie die drei Freundinnen Jana Breche, Susanne Krüger und Katrin Müller aus der zehnten Klasse der Weidenplanschule. "Uns tun die betroffenen Menschen so unendlich leid", sagte Katrin Müller. Ganze Klassen kamen geschlossen, so aus der Franz-List-Berufsschule, der Latina und dem Georg-Cantor-Gymnasium.

Als die Glocken verstummten, stimmte Kantor Martin Fritzsche einen Psalm an. Neben ihm ein schlichtes Schwarz-Weiß-Bild der beiden Türme des World Trade Centers in New York, Blumen und Kerzen. Viele Menschen schämten sich ihrer Tränen nicht. "Gib Frieden Herr, gib Frieden" - das alte Kirchenlied sprach ihnen aus dem Herzen. Nachdenkliche Worte fanden Superintendent Eugen Manser und der Pfarrer der Marktkirche, Harald Bartl. Es sei erschütternd, so Manser, dass es Menschen gibt, die glauben, mit Gewalt die Welt friedlicher zu machen.

In seine Fürbitte schloss er all jene ein, die ihr Leben lassen mussten durch die Terrorserie, jene, die den Tod eines lieben Menschen zu beklagen haben und die, die noch um Angehörige und Freunde bangen, auch in Halle. Pfarrer Bartl sprach über die Menschen und ihr Wesen, suchte Gründe, warum sie sich hassen und Kriege führen.

Über die Hälfte der rund 1 000 Kirchenbesucher trugen sich dann in das Kondolenzbuch ein, auch Bürgermeisterin Dagmar Szabados. Sie nahm in Vertretung von Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler (SPD) teil, die sich auf einer lange geplanten Dienstreise befand.

"Liebe wird stärker sein als Gewalt", schrieb Janosch Nehls in das Kondolenzbuch, ein 23-jähriger Hallenser, der in Dresden Landschaftsarchitektur studiert. Es sei ganz wichtig, klar zu machen, was durch Hass und Gewalt für Unheil in der Welt entstehen kann, sagte der junge Mann, seine Tochter Luna auf dem Arm. Und Christa Harst, eine Aachenerin, die seit ein paar Jahren in der Stadt lebt, hatte nur einen Wunsch: "Es soll endlich Frieden sein in Welt."

Unzählige Kerzen wurden angezündet, Blumen am Altar niedergelegt und Gebete gesprochen, auch von Claudia und ihrer Freundin. Sie machen sich große Sorgen um in New York lebende Freunde, von deren Schicksal sie noch nichts wissen. Vor der Kirche kamen sie mit dem amerikanischen Ehepaar Brugger in Kontakt, das erst am Dienstagfrüh aus dem Staat New York nach Halle gekommen war, um Tochter, Schwiegersohn und die beiden Enkel zu besuchen. "Auch wir sind sehr traurig über das, was geschehen ist", erzählte Edna Brugger. Zum Glück sei niemand aus dem Familien- und Freundeskreis von der Katastrophe betroffen. "Doch wir verstehen gut, wie traurig die Freundinnen aus Halle jetzt sind. Ungewissheit ist schlimm."

Bis zum Wochenende ist in der Marktkirche täglich von 10 bis 17 Uhr Gelegenheit, sich in das Kondolenzbuch einzutragen und zu beten.

Als in der Moritzkirche Punkt 12 Uhr die Glocken läuteten, hatten sich die Mädchen und Jungen des kleinen Gemeindekindergartens bereits in die vorderste Bankreihe gesetzt. Mit großer Aufmerksamkeit und sicher stiller als sonst hörten sie zu, was Pfarrer Klaus Gaden sagte.